Frauengärten und Männergärten

Bilder aus dem Garten von Hannah Höch.
Bild aus dem Garten von Hannah Höch.

Gibt es Frauengärten und Männergärten? Jetzt ist die Zeit für Gartenbesuche. Je mehr ich mich mit Gärten, unserem und anderen, beschäftige, umso häufiger frage ich mich, ob man einem Garten ansieht, ob Männer oder Frauen ihn prägen. Auch fällt mir immer wieder auf, dass ich lieber Gartentexte lese, die von Frauen geschrieben wurden. Und ich grübele weiter, welches die Gründe dafür sein könnten.

Schon die Literatur über Gärten scheint geschlechtsspezifisch zu sein. Im gut sortierten Buchladen finde ich viele große Bildbände über Frauen und ihre Gärten, einige davon besitze ich inzwischen. In Die Damen mit dem grünen Daumen (Sandmann) lese ich, dass es schon im 19. Jahrhundert eine Publikation für weibliche Gärtner gab, The Lady’s Magazine of Gardening, herausgegeben von Jane Loudon. „Jane half als Sekretärin bei der Abfassung seines (ihres Mannes d. A.) gewaltigen Hauptwerks, der Encyclopedia of Gardening, in der Loudon den aktuellen Wissensstand zu Pflanzenkunde und den Techniken des Gärtners, aber auch zu den unterschiedlichen Gartenstylen in ganz Europa referiert.“ Sie konnte mit dieser Fachliteratur nichts anfangen, es war ihr zu trocken geschrieben. Genauso geht es mir, wenn ich über eine Pflanze nachlesen möchte und erst einmal durch deren botanische Einordnung geführt werde, verliere ich das Interesse. Was ich lese, vergesse ich gleich wieder, aus Desinteresse. Nichts von diesen langen Ausführungen hilft mir in meinem Garten.

Wozu sind diese Einteilungen gut? Ich will die Namen wissen, um über meinen Garten mit anderen zu reden, zu erfahren, wie es ihnen mit ihren Pflanzen in ihrem Paradies ergeht. Ich beobachte auch, dass Menschen mit ihren Kenntnissen der lateinischen Namen einen Bildungsvorsprung anzeigen wollen. Man kann über die korrekten Namensnennungen durchaus auf die Schulbildung rückschließend merken, ob der Gesprächspartner in der Jugend Latein gelernt hat, oder eben nicht. Aber es macht nicht den besten Gärtner oder gar den schöneren Garten, wenn man von allen Pflanzen alle Namen kennt. Mir fällt es zwar leicht, schon weil ich oft im Ausland über Gärten gesprochen habe, aber ich versuche immer, die Namen zu verwenden, unter denen sich mein Gegenüber auch etwas vorstellen kann. Die gleiche Beobachtung machte ich in meiner Tätigkeit als Ärztin: Es gibt Kollegen, die Patienten mit Fremdwörtern beeindrucken, statt sich die deutschen Namen für Krankheiten zu merken. Vielleicht suchen sie gar kein Gespräch, sondern wollen zeigen, was sie wissen. Auch bei Gärtnergesprächen gilt, dass Reden Silber ist und Zuhören Gold.

Bild aus dem Garten von Hannah Höch.
Bild aus dem Garten von Hannah Höch.

Im Frühling waren wir bei den „Offenen Gärten“ in Falkensee, im Westen Berlins, wo vor der Wende der Osten war. Wir begannen mit einem wild verwunschenen Grundstück, in dem es grandios durcheinanderging, die verschlungenen Wege waren verwachsen. Der Urwaldeindruck wurde dadurch verstärkt, dass es an diesem Tag stark regnete und die nassen Zweige einen beim Laufen überall berührten. In dieser Jahreszeit blühte nicht viel, überall Akeleien, einige Schwertlilien, ein paar Zwiebelblüher waren noch übrig. Zum Schmunzeln brachten mich viele blühende Lilien, einige eingepflanzt, manche noch im Topf dazwischengesetzt, es war einige Wochen vor ihrer Zeit. Aufgrund des geschaffenen Überflusses, aber auch der mir fehlenden Struktur, hätte ich ihn für einen typischen Frauengarten gehalten. Dabei war von Anfang an klar: Zwei reife Herren erfüllen sich hier ihre Jugendträume.

Ein anderer Garten wurde als formaler Garten vorgestellt, sehr klein und eingerichtet wie ein Wohnzimmer, die kleinen rechteckigen Rasenstücke lagen wie Teppiche zwischen den Beeten. Diese waren eingefriedet durch helle rechteckige Randsteine aus Granit, die wie sorgfältig gekämmte Fransen von Teppichen wirkten. An allen Ecken war Struktur, Buchs, getrimmte Bäume, Statuen, Kübel, immer wieder Buchs, dazu vier Sitzgelegenheiten, die so aussahen, als würde nie jemand darauf sitzen. Wenn das Wetter besser gewesen wäre, hätte ich die Schönheit dieses Gartens, die Ruhe, vielleicht selbst seine Strenge, genießen können. So fremdelte ich stark. Er gehörte einem mittelalten Pärchen, und war in wenigen Jahren entstanden. Kinder waren in beiden Gärten nicht vorgesehen.

Zwei andere Gärten wurden von Frauen vorgestellt, sie hatten interessante Pflanzen in Positionen gebracht, zum ersten Mal in meinem Leben sah ich einen Etagenschneeball. Der eine Garten hatte verschiedene Räume, einer von ihnen war wilden Pflanzen überlassen worden, die Formen schmeichelten dem Auge. Für mich waren das die Wohlfühlgärten. Aber waren es Frauengärten?

Das Etikett eines Frauen- oder Männergartens ist nicht leicht zu vergeben. Inzwischen nähere ich mich dieser Frage, indem ich Eigenheiten als eher weiblich oder eher männlich ansehe. In Gärten spiegeln sich die Persönlichkeiten wieder, die sie geschaffen haben. Da wir vielschichtig sind, vereinen wir und unsere Gärten verschiedene Anteile. Uns Frauen scheinen Farben, Formen, Gerüche der Pflanzen mehr zu bedeuten als nichtpflanzliche Strukturen, Mäuerchen, Wege und ihre Platten.

Wenn ich in die Berliner Umgebung gucke, sehe ich: beide Aspekte vereint der Foerster’sche Garten, während Max Liebermann stark auf die Wege und Einfriedungen achtete. Seine rechteckigen Beete erinnern mich an die in Monets Giverny. Die gestalteten Flächen bei der englischen Gartenakademie (Isabell van Groningen und Gabriella Pape) leben von der Schönheit der Pflanzen. Bei den Gärten meiner Gartenfreundinnen und auch bei uns prägen die Pflanzen den Gesamteindruck. Die Pflanzen werden zu Hauptpersonen. Dies erscheint mir ein Kennzeichen des weiblichen Prinzips, in Berlin auch zu finden in Hannah Höchs Garten in Heiligensee.

Was scheint Männern wichtiger? Sie gestalten materialorientiert. Es wird gegraben und gebaut. In dem lesenswerten Buch von Jakob Augstein Die Tage des Gärtners (Hanser) leiden wir detailliert mit ihm an seinem Teich, der über Jahre sein Wasser verliert. Für mich ein Beispiel, wie man sich das Leben unnötig schwer machen kann. Wege und Mäuerchen werden entworfen, es wird gebaut und gepflastert, nach sorgfältiger Materialauswahl. Davon schwärmt mann und verlangt gute Qualität für gutes Geld. Auch die beiden Gärtner des verwunschenen Gartens setzten uns umfassend ins Bild, was sich in welchem Betrieb finden lässt, sie gehen gerne einkaufen. Ihnen waren die einzelnen Elemente des Düngers besonders wichtig. Und was mann nicht alles braucht, neben Pflanzen auch Erde, Dünger, Spezialgeräte! Die Gartencenter wissen das und bewerben schweres Gerät für jedermann, als wenn jeder seinen eignen Häcksler, Vertikutierer und so weiter bräuchte.

Auch meine Männer sind materialorientiert. Eine Zeitlang dachte ich, es wäre eine familiäre Eigenheit, denn vom schon lange verstorbenen Schwiegervater gab es in der Werkzeugkammer noch originalverpacktes Gerät. Inzwischen sehe ich, dass der Wunsch nach einer optimalen Ausstattung unter Männern weit verbreitet ist. Und eine große Gefahr, auf die in Zukunft mehr zu achten sein wird, stellen ältere Herren mit Klickeritis dar: Sie bestellen sitzend per Mausklick Dinge im Internet, deren Bild nicht größer ist als eine Kreditkarte. Was dann geliefert wird, hat Ausmaße, die in der Wirklichkeit kaum unterzubringen sind. Vielleicht hätte man auf den Kauf verzichtet, wenn man das Objekt in Originalgröße vor sich gehabt hätte.

Eva Demski widmet eine ihrer Gartengeschichten einer Gärtnerin, Anni, die ihr in ihrer Kindheit eine mütterliche Gartenfreundin geworden war. Anni hatte nach vielen Jahren ihren Liebhaber geheiratet. „Er war auch Gärtner, schweigsam und knorzig, mitarbeiten ließ sie ihn in ihrem Garten nicht. Mann und Frau im Garten tut kein gut, sagte sie. Die Männer ziehen immer in den Krieg, gegen Läuse, gegen Unkraut, gegen falsches Saatgut, gegen das Wetter, was weiß ich. Unsereins redet dem Land gut zu, bis es macht, was wir wollen. Ihre Überredungskunst führte zu wunderbaren Ergebnissen …“ Mehr darüber erfahren Sie im Buch Gartengeschichten von Eva Demski!

Als ich vor über zwanzig Jahren Anhängerin von Vita Sackville-West wurde, fand ich die Konflikte der Eheleute Nicolsen nur putzig. Inzwischen erscheinen sie mir archetypisch, und ich will sie beschreiben: Sie wollte es bunt und vielfältig, achtete auf Farbkombinationen, brachte viel von fernen Reisen (Türkei, Persien) mit und bestellte emsig aus Katalogen. Woher weiß man das alles? Sie und ihr Mann, aber auch ihre Vertrauten (Mutter, Freundinnen), führten Tagebuch und schrieben sich regelmäßig, auch mehrmals am Tag. Viel davon ist erhalten, ihr Briefwechsel wurde übrigens nach Bloomingdale, Indiana, verkauft. Für den Fall, dass Sie da mal vorbeikommen sollten. Harold Nicolsen, ihr Mann, machte vom Garten Zeichnungen, plante, wobei er durchaus auch Eindrücke von seinen Auslandsaufenthalten einarbeitete, er war lange Zeit im diplomatischen Dienst. Den berühmten lime walk (Lindengang) in Sissinghurst, der aus einer breiten Gasse besteht, gerahmt von Linden und im Frühling mit einem Meer von Zwiebelblühern, nannte er „Unter den Linden.“

Die Frau im weißen Kleid ohne Gesicht aus dem Liebermannmuseum.
Die Frau im weißen Kleid ohne Gesicht aus dem Liebermannmuseum.

Er war zuvor mehrere Jahre in Berlin gewesen, Ende der Zwanziger Jahre. Während er über viele Monate im Ausland war, schuf sie Tatsachen und pflanzte nach ihrem Gutdünken, dagegen konnte er aus der Ferne nicht anplanen. Manchmal kam sie ihm entgegen, entfernte etwa zwei Buddleja, die er nicht mochte (vielleicht, weil ihn ihre verblühten braunen Kolben störten?), oder ließ einen schönen Baum fällen, der in dem von ihm geplanten Weg gestanden hätte. Vorher gab es einen großen Streit, über den er in seinem Tagebuch schreibt, dass es am Schluss um Frauenrechte gegangen wäre und er zur Beruhigung Unkraut zupfte („weeding“ in Vita’s other world). Das kommt mir irgendwie bekannt vor, außer dass mein Mann seine Wut leider noch nie am Unkraut ausließ.

Es gibt mehrere Biographien der beiden, eine schrieb der jüngere Sohn Nigel, geboren 1917, über die Ehe seiner Eltern. Als 1961 Sissinghurst, um es zu erhalten, dem National Trust übergeben wurde, verfasste er eine kleine Schrift, in der er den „cottage garden“ als bestes Beispiel für ihre verschiedenen Geschmäcker vorstellte. „It has formality (achtet auf Formen) (Harold), but it is also abundant (üppig) (Vita); it is almost monochrome (fast einfarbig) (Vita), but as the season advances, it admits variety (aber im Verlauf der Jahreszeiten lässt er Vielfalt zu) (Harold).“ Von allen Themengärten war er am meisten ein Gemeinschaftswerk, indem auch beide Elternteile gärtnerten, sie gerne morgens vor dem Frühstück, und er holte sich dort immer montags früh, vor seinem Aufbruch, Schnittblumen für seine Wohnung in London.

Mir gefallen in Sissinghurst die Pflanzenpersönlichkeiten mit ihren Formen und Farben sehr, an Strukturen könnte es etwas weniger geben. Allerdings sei dazu gesagt, dass sie durchaus Vitas Konzept entsprachen: Sie war in einem riesigen Schloss aufgewachsen, in Knole in Kent, und hätte es geerbt, wenn sie ein Junge gewesen wäre. Dieser gefühlte Verlust machte ihr zeitlebens zu schaffen. Die Elemente steinerner Größe in Sissinghurst lagen ihr durchaus. Für mich sind Mäuerchen schöner als Mauern, und mehr noch, wenn sie bewachsen sind.

Mein Vorurteil, dass Männer gerne feste Anlagen bauen, bestätigt sich in deutschen Gartenbüchern mit ihren vielen Bauanleitungen. Was man alles bauen kann! Ich suche immer nach Büchern über Gärten für Kinder, in einem Buch wurde ich Zeugin, wie der kleine Garten vollgestellt wurde mit von Papa gebauten Häuschen, Bänkchen und Gerüsten. Das Buch hatte den irreführenden Titel Kinderparadiese im Garten, Projekte zum Selberbauen (blv). Schon die Vorstellung, dass Kinder ihr Paradies nicht selber fänden und dass hölzerne Gerüste Kinderparadiese wären, und dann noch „selbst gebaut“ mit Papa, beunruhigt mich. Kinder können ihre Paradiese selber schaffen, wenn man ihnen Raum lässt. Ich bin sehr dankbar, dass unsere Männer diesen Ehrgeiz nicht teilen. Wer mehr Raum für die Initiativen der Kinder im Garten lassen möchte, kann im Buch Unser Familiengarten (blv), das zwei Autorinnen (!) verfassten, fündig werden.

Monets erster Garten in Giverny ist in über zwei Meter breiten und gut zwanzig Meter langen Beeten angelegt, das ist der „clos normand“, inzwischen ist alles mit Ein- und Mehrjährigen und Stauden sehr eng bepflanzt. Viele Hochstämmchen, vor allem bei Rosen, oder solche, die auf schmiedeeiserene Gerüste geklettert sind. Geld spielte bei Monets in den letzten Jahrzehnten seines Lebens keine Rolle, für jede Jahreszeit wurde neu bepflanzt. Das wäre für mich der Männergarten. Erst im höheren Alter legte er, etwas weiter weg, den Seerosenteich an, der mit seinen abgerundeten Formen stimmungsvoll ist und angenehme Gefühle, heute würde man sagen positive Energien, weckt, das ist mein Frauengarten.

Im Liebermann Garten am Wannsee.
Im Liebermann Garten am Wannsee.

Liebermanns Garten am Wannsee ähnelt in seiner rechteckigen Grundstruktur dem „clos normand“. Straßenwärts vorm Haus liegt der Bauerngarten, alles rechteckig in Reih und Glied, selbstverständlich mit Küchengarten. Auch der Rest ist in rechteckige Räume aufgeteilt, zum Wannsee hin ein kleines Rabattenfeld vor der Terrasse, dann viel Rasen, was den herrlichen Fernblick auf den Wannsee erlaubt. Bei Liebermann gibt es an einer Seite einen Birkengang, der verspielt wirkt: Die Birken stehen zum Teil unordentlich mitten im Weg. So könnte eine Frau geplant haben. An der anderen Seite, hinter einer langen undurchsichtigen Hecke versteckt, liegt ein schöner Rosengarten, nur mit weißen und roten Rosen. Man kann durch ihn laufen, aber soll man auch verweilen? Es gibt keine Bänke. Frau Liebermann und die erwachsene Tochter verbrachten die Sommer am Wannsee, auf den Bildern wurde Frau Liebermann gemalt mit einem Kind auf dem Schoß, im Haus sitzend. Aber, wer ist die gesichtslose Frau im weißen Kleid, die auf der Bank in seinen Gartenbildern sitzt?

Trotz der bewegenden Geschichte Liebermanns zieht mich der Garten als solcher nicht an. Er wird derzeit weiter in seinem Sinne rekonstruiert. Die Familie wurde als jüdische verfolgt, er starb 1935, bereits geächtet. Frau Liebermann wurde aus ihren Häusern von den Nazis vertrieben und nahm sich am Tag ihrer Deportation das Leben. Der Garten lebt von der Geschichte der Familie Liebermann, seiner Lage, dem Blick auf den See, an dessen Strand auch die Bänke stehen, und natürlich von seinen Bildern. Zu den Ausstellungen gehe ich gerne.

Richtig gespannt wäre ich auf den Garten Jakob Augsteins, den kenne ich nur aus seinem Buch, und ich sehe Widersprüche, die neugierig machen. Er scheint eine Frau zu haben, die aber nicht in Erscheinung tritt, irgendwo im Nebensatz spricht er von einer Gefährtin, die ihm hilft, den Giersch auszugraben, vielleicht gibt es noch weitere solcher Sätze und ich habe sie überlesen. Wichtig ist ihm die Ordnung. „Das Leben des Gärtners ist der Ordnung gewidmet. Und ohne Ordnung ist der ganze Garten nichts. Das ist die Wahrheit.“ So steht es als Überschrift hervorgehoben, man denkt erst, es wäre ironisch, aber er meint es Ernst: Er beschäftigt sich ausführlich mit den Stärken und Schwächen der Ordnungssysteme für Pflanzen. Einmal erzählt er, er könne nachts nicht schlafen, weil er sich nicht mehr an die korrekte Benennung einer Pflanze erinnert, er fragt sich sogar, welche Unterschiede zwischen den Gärtnern bestehen, die diese oder jene Systematik für Pflanzen anwenden. Dreizehn Seiten sind es im Kapitel Ordnung und dazu noch längere Bemerkungen bei den einzelnen Pflanzen, gut zwei Seiten bei den Hortensien!

Trotzdem vermute ich einen Garten, der mir gefällt: Er betrachtet seine Pflanzen als Partner, ist ihnen zugetan und spricht liebevoll von ihnen. Über die Samthortensie schreibt er: “Ich habe eine im Garten, die über große und schwermütige Blätter verfügt, die in aller Seelenruhe nach vorne fallen und über denen stille Lacecap-Blüten (Spitzenhäubchenblüten) stehen, die diesen Namen mit großem Recht tragen, so fein sind ihre Ränder, wie aus den vornehmsten Spitzen gemacht. Und ihre Farbe, was soll ich zu dieser Farben sagen, die nicht Lila ist und nicht Rosa und nicht Blau und die das alles zusammen ist und dabei von solcher Schönheit, dass ich nur ganz vorsichtig an dieser Pflanze vorübergehe, um sie nicht zu stören, und mich ihr nur langsam nähere, um mich ihr nicht aufzudrängen. Und dann beuge ich mich sacht über sie und halte einfach inne.“

Erst im letzten Jahr entdeckte ich den Garten Hannah Höchs in Berlin-Heiligensee. Die Künstlerin aus der Zeit des Dadaismus hatte hier viele Jahrzehnte gewohnt. Sie bezog das Haus 1939 und überlebte darin die Nazizeit. Um sich und ihre Kunst zu verstecken, pflanzte sie „Schutzhüllen“ an den Rändern des großen Eckgrundstücks. In der Mitte, in der Nähe des Hauses, sind dann die Blühpflanzen, wobei sie in wunderbarer Weise Stauden, Ein- und Zweijährige mit Sträuchern mischt. In ihrer Not musste sie von den Früchten des Gartens leben, manche Produkte verkaufte sie auch auf dem Markt.

„Ich verreise in meinen Garten“ schrieb Hanna Höch 1953 an ihre Schwester — und malte sich in ihrem Garten dazu. Dies Bild ist im Buch diesen Titels abgebildet. Dazu heißt es: „Ihre Verwendung der Pflanzen ist vielfältig, sie bieten Sichtschutz, bringen Früchte hervor, duften, sind Schnittblumen und künstlerisches Motiv. Bei der Auswahl der Pflanzen achtet sie darauf, dass sie möglichst das ganze Jahr hindurch ein Blumen- und Blütenmeer erfreut.“

Der große Garten ist ein Juwel, und, wie der heutige Besitzer ausführte, der einzige von einer Frau geschaffene Künstlergarten. Bei seiner Führung, zu der man sich unter Johbauersachs 1@aol.com anmelden kann, stellt er ihre Vorstellungen und Leistungen in den Vordergrund. Dies ist bemerkenswert, hat er doch seit bald drei Jahrzehnten mit seiner Familie die Pflege übernommen. Für seine Eingriffe scheint er sich fast zu entschuldigen.

Foersters Garten erlebe ich als gelungene Verbindung weiblicher und männlicher Vorstellungen vom paradiesischen Garten, wie sie sich aufs Schönste ergänzen. Bei Foersters ist bekannt, dass sie den Garten als ein gemeinsames Lebenswerk betrachteten. Sie lebten in Haus und Garten, der Gartenbetrieb war nebenan. Das Buch Ein Garten der Erinnerung mit Texten von und über Karl Foerster wurde von Eva, seiner Frau, nach seinem Tode herausgegeben. Es gibt ein Foto, bald ein hundert Jahre alt, welches den Senkgarten kurz nach Anlage und erster Bepflanzung zeigt. Rechteckige Strukturen, viel Stein. Wenn man ihn Jahrzehnte später oder heute sieht, glaubt man, in einem anderen Garten zu sein. Es ist, als ob die Pflanzen in diesem Rahmen über sich hinauswachsen konnten. Erst als ich das Buch Ein Garten der Erinnerung las, konnte ich ermessen, wie viel reflektierte Erfahrung in jeder der beschriebenen Beobachtungen steckt. Foerster hat immer große Zusammenhänge gesehen und doch das Detail geliebt, ohne sich je dabei zu verzetteln. Der jetzige Zustand ist durch die einzige Tochter Marianne geprägt, die selbst Gartenbauarchitektin im Ausland wurde, aber nach der Wende ein gutes Jahrzehnt im elterlichen Haus lebte und bis zu ihrem Tode den Garten weiterführte. Sie hat das Buch Der Garten meines Vaters Karl Foerster herausgegeben. Im Nachwort sagt sie „Eigentlich müsste es ja heißen: Der Garten meiner Eltern, denn meine Mutter Eva hat Jahrzehnte ihres Lebens zwischen Katalog- und Bucharbeiten diesem Garten gewidmet, sie wurde eine richtige Gärtnerin aus Liebe.“ Marianne Foerster kann man nicht mehr fragen: Aus Liebe zu wem? Ich wünschte, sie meinte aus Liebe zum Gärtnern und würdigte damit die Leistung der Mutter als eine eigenständige.

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