Wir waren schon mehrmals in Gärten in Florida. Es ist die Sehnsucht nach Wärme im Winter, die uns für zehn Stunden ins Flugzeug steigen und dann noch die entwürdigenden Unterwerfungsrituale bei den Kontrollen der US-Einwanderungsbehörden ertragen lässt. Aber wegen der Wärme könnte ich immer wieder dahin reisen. Sehenswürdigkeiten, die uns interessieren, sind rasch angeguckt. Vielleicht haben wir uns auch deshalb viel in den Naturschutzgebieten aufgehalten. Das Wichtigste ist, während der lange Berliner Winter noch andauert, das Draußen Sein. Auf der Terrasse frühstücken, ohne Strümpfe laufen, und auch am Abend noch im Freien Sein.
Florida ist ganz nah am Wasser gebaut, es regnet häufig, selbst in der Trockenzeit, wenn wir da sind. Im Sommer, in der Regenzeit, ist es oft überschwemmt. Die Häuser haben keine Keller. Wegen des hohen Grundwasserspiegels sind die Parks meist nur auf langen Holzstegen zu bewandern. In den Küstenstädten überwiegen als Bäume Palmen, in Wäldern gibt es viele Pinien und als Besonderheit eine Art Zypressen, die viele hundert Jahre alt sein können. Sie wurden von den Siedlern vorgefunden, als sie vor etwa hundertfünfzig Jahren hier ankamen. Mich beeindrucken immer Pflanzen, die auf den Bäumen wachsen, überall gibt es Moose, Spanish Moss hängt in riesigen Bärten von den Ästen herunter. Philodendren, Bromelien und Tillandsien wachsen viele Meter an den Stämmen hoch.
Schon am Straßenrand sieht man große Wasservögel, Ibisse, Reiher oder Pelikane, braune und weiße, mit etwas Glück auch Schildkröten und Alligatoren. In den Parks gibt es dann ein paar mehr. Dort kann man auch sehr laute Boote mieten, damit durch die Wasserpflanzen brausen und kaltblütige Alligatoren erschrecken. In den Parks gibt es, außer bei Alligatoren, keine größeren Tiergruppen. Überall sind Ehrenamtliche unterwegs, die einem helfen, die Tiere zu entdecken, indem sie das Fernrohr darauf ausrichten. Im Vergleich zu afrikanischen Parks treten die Tiere meist als Einzelgänger auf. Dafür ist die Natur überall sehr nahe, und wir genießen es, mittendrin zu sein und nicht im Auto sitzen zu müssen.
Als Gegensatz dazu werden die Gärten übermäßig bearbeitet. Der Garten soll sich deutlich von der Natur abheben. Wie überall in den USA, scheint der Rasen das Wichtigste. Er wird regelmäßig geschnitten, mindestens einmal in der Woche. Da die Grundstücke meist groß sind, braucht es seine Zeit. Dafür fährt man, ich glaube, ich habe noch nie eine Frau gesehen, auf einem kleinen Traktor und umzingelt systematisch die Fläche. Und das macht Krach! Gärtner sind offensichtlich keine Hobbygärtner, sondern von morgens bis nachmittags aktiv: Neulich schnitten sie Hecken zurück, die sich gerade mit frischem Grün vom letzten Schnitt erholt hatten. Am eindrucksvollsten ist das im wohlhabenden Palm Beach, wo es stufige Heckenlandschaften gibt, mit allen möglichen Gewächsen. Man könnte annehmen, dass jede Hecke nach kurzer Pause einen neuen Fassonschnitt verpasst bekommt. In der Anlage, in der wir wohnen, haben die Gärtner indianische Vorfahren und sie verstehen kaum Englisch. So kann ich sie nicht fragen, warum sie an die Beetränder Substanzen sprühen, die so gesundheitsgefährdend sind, dass sie weiße Schutzanzüge mit Gasmasken und dicke Handschuhe tragen. Aber ich will sie nicht beunruhigen, und wir grüßen uns immer freundlich.
Die Wohnanlage wurde vor wenigen Jahren als gated neighborhood (d. h. eingezäunt) geplant und im einheitlichen tex-mex Kolonialstil gebaut. Dadurch gibt es einen stimmigen Gesamteindruck. Zwei Farben für die Dachziegel bei ein und derselben Form, sechs Farben zur Auswahl für den Gebäudeanstrich, die alle in gelb, oliv und rot-braun Tönen changieren. Die Gärten haben Bepflanzungen, die aufeinander abgestimmt sind: Palmen als Solitäre, mit einer kleinen Hecke drum herum, da wo die Baumscheibe sein könnte, und als Alleen, als Büsche. Wie viele Sorten Palmen es gibt! Besonders verbreitet die Kohlpalme, Cabbage palm. Sie hat eine innere Schicht, Herz genannt, die gut schmecken und etwas nach Kohl riechen soll.
Der Rasen ist eine besondere Sorte und wächst wie kleiner Bambus. Gesprengt wird viel, Wasser fehlt in Florida nie, nach einem kleinen Regen sind entlang der Straßen die Straßengräben mit Wasser gefüllt, in manchen blühen Seerosen. Dabei sind wir ja in der Trockenzeit da, richtig regnet es in den Sommermonaten, zunehmend mit Wirbelsturmgefahr. Und unerträglich heiß wird es. Etwa die Hälfte der schönen Häuser steht dann leer, und insofern ist es für die Gärten nur gut, dass die Pflege nicht den Bewohnern überlassen wird. In Palm Beach gibt es einen edlen Bath and Tennis Club, der von Mai bis Oktober geschlossen bleibt, weil es so heiß und schwül ist. Die wohlhabenden Mitglieder suchen in dieser Zeit die Kühle der nördlichen Gefilde. Im November trifft man sich dann wieder und überwintert zusammen.
Wer eine kleine Ecke im Vorgarten selbst bepflanzen wollte, dürfte das nicht. Ich weiß nicht, ob mir das für immer so gefiele. Als Urlauberin genieße ich die Einheitlichkeit der Gärten, die keine Zäune haben und gut zusammenpassen. Und mein Basilikum halte ich im Topf auf der Terrasse.
Was bei uns als Zimmerpflanze sein Dasein fristet, wächst hier üppig im Freien: Gummibäume, die der Größe nach den Namen verdienen, die kleinblättrigen als Hecken, ebenso Schefflera, die blühen und kleine braune oder schwarze Beeren tragen. Winterharte Hibiski braucht man nicht, überall gibt es in den Gärten großblütige Zimmerhibiski. Viele sind als sehr große Hochstammpflanzen gezogen, die im hiesigen Winter mit wunderschön großen Blüten in einer nie gekannten Farbenvielfalt blühen. In dieser Schönheit habe ich unsere Zimmerpflanzen sonst nur auf Sizilien gesehen und sage es mit Goethe: „Die vielen Pflanzen, die ich sonst nur in Kübeln und Töpfen, ja die größte Zeit des Jahres nur hinter Glasfenstern zu sehen gewohnt war, stehen hier froh und frisch unter freiem Himmel, und indem sie ihre Bestimmung vollkommen erfüllen, werden sie uns deutlicher.“ (17. April 1787 in Palermo)
Mich freut immer, welche Wachstumsmöglichkeiten diese unsere Zimmerpflanzen in der freien Natur haben: Übermannshohe Philodendren, Hecken von Croton, manche in leuchtendem Rot, mehrfarbige Bromelien und manche als lange Hecken, manche klettern auf Bäume. Viele Bougainvilleas, oft dienen sie als Hecke oder bilden ausgedehnte Sträucher, einige Agaven, immer wieder Croton und Bromelien.
Sehr viel Mulch liegt um die Pflanzen herum. An manchen Stellen sind Petunien gepflanzt, die herrlich blühen. Fast scheint es, als hätte mit ihnen jemand die strenge Ordnung durchkreuzen wollen. Und, wie die Ladeninhaber an Berliner Straßen, einfach die Baumscheibe ein bisschen bunter gemacht.
Gummibäume sind überall, zuweilen als riesige Gummibaumanlagen, sie haben mehrere Stämme und waagrecht wachsende Äste, von denen Luftwurzeln herunterwachsen, die wieder in die Erde hineinwachsen und neue Stämme bilden. Vor etwa hundert Jahren hat der Tüftler und Entdecker Thomas Edison (Telefon! Tonwiedergabegeräte!) in seinem Garten in Fort Myers einige angepflanzt. Er hatte eine biologische Versuchsstation und wollte Gummi für Reifen der von seinem Nachbarn Henry Ford entwickelten Autos gewinnen. Es war nicht so ergiebig, wie erhofft, man musste den Rohstoff weiterhin aus Brasilien importieren. Dort hatte Ford dann sogar eine Stadt aufgebaut, Fordlandia, die man jetzt als verfallendes Kleinod im Urwald besuchen kann. Die Arbeiter der Gummiplantagen konnten dort wohnen. Obwohl der Betrieb sich nie rentierte, wurde das Unternehmen bis 1945 unterhalten, und erst nach der Entwicklung synthetischen Gummis dem Verfall preisgegeben. Auch Edisons Werkstatt strahlt noch diesen unerschütterlichen Pioniergeist aus. Die Riesenbäume heißen Banyan, der drittgrößte der Welt steht in Edisons Garten in Fort Myers. Bei der Besichtigung kommt man durch das Speisezimmer, wo der Tisch festlich eingedeckt ist, so als wollten Fords, die Nachbarn, gleich zum Dinner erscheinen.
In einem Buchladen kann man Kaffee trinkend Bücher und Zeitschriften lesen, ohne sie zu kaufen. Schnell hatte ich die Gartenzeitschriften durch. Die hier beschriebenen Gärten sind alle größer als in Europa. Oft wird berichtet, wie Brachland zu einem grünen Paradies wird. So viele freie Flächen gibt es in Deutschland kaum. Ich lese zum Beispiel, es gäbe in den USA zehn Klimazonen, Florida ist in der achten, neunten und mit den Keys in der zehnten. In dieser letzteren Zone ist eigentlich kein Frost vorgesehen; wenn er kommt, und die letzten zwei Jahre vor unserem Besuch kam er, müssen die Bananen geschützt werden oder sie bekommen erfrorene, hässliche braune Blätter. Das können wir bestätigen.
Wir besichtigten einige individuell gestaltete Gärten. Sie haben, wie die oben beschriebene Anlage, viele Bäume und Sträucher, wenige Gräser. In Strauchform kommen viele Pflanzen, neben Croton, Bromelien, Schefflera, Ficus, und Calla, Canna und Strelitzien. Bei dieser besonderen Gattung, die ich nur als Schnittblume kannte, staune ich, dass sie eine Art Banane ist und die Blüte der Bananenblüte ähnelt. Die größte davon, den Baum der Reisenden (Ravenala madagascariensis), habe ich in über zwei Meter hoch allerdings in einem Privatgarten auf Sizilien gesehen, in Palermo.
Als Stauden gibt es Astern, Kapblumen, aber auch Margeriten, Schwarzäugige Susanne und Rudbeckien. Offenbar gibt es Sorten, die für das hiesige Klima besonders geeignet sind. Die ambitionierte Gärtnerin kann auch Einjährige halten. Wahrscheinlich werden sie, mangels Frosts, mehrjährig. Gesehen habe ich weiter Löwenmäulchen, Stiefmütterchen, fleißige Lieschen, Lobelien, etwas kleinkariert angeordnet im barocken Rabattenstil. Originell fand ich nur die Gärten mit Kakteen, aber Wohlfühlgärten wurden sie für mich nicht.
In Sarasota befinden sich ein Rosengarten und ein Orchideengarten. Der erstere angelegt von Mabel Ringling, einer Milliardärin, um 1912. Sie hatte sich in die schönen Gärten in England und Frankreich verliebt und wollte so etwas ebenfalls besitzen. Damals mussten die Rosen alle zwei bis drei Jahre erneuert werden, länger haben sie dieses Klima nicht ausgehalten. Inzwischen sind Möglichkeiten der Infektionsbekämpfung so verbessert, dass sie sich ein Dutzend Jahre halten. Das Sprühen der Rosen wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Auswahl in diesem Garten war groß, viele Austin-Rosen. Ich wollte unbedingt eine Rose finden, die ich auch in meinem Garten habe, und fand sie: Meine Lieblingsrose, eine Gloria Dei, die hier Peace heißt und als 1945 gezüchtet angegeben wurde. Ihr sanfter und frischer Duft machte mich froh.
In nur drei Monaten würde ich in meinem eigenen Garten in Berlin an Rosen schnuppern können! Ich war mir sicher, dass sie sich bei mir wohler fühlen als in diesem schwülfeuchten Klima.
In den Parks suchte ich vergeblich nach wilden Orchideen. Im Orchideengarten gab es eine Vielzahl zu sehen. Sie wachsen im Gewächshaus und auch draußen, viele von ihnen werden in Töpfen in Bäume gehängt. Mit allen nur erdenklichen Farben und Formen – außer blau und schwarz. Die bei uns bekannten Phalaenopsis sind nicht die einzigen, über 22000 Sorten gibt es weltweit.