In meinem Londoner Winter begann ich mit dem Lesen von Gartenzeitschriften. Das monatliche Erscheinen der Mitgliederzeitschrift der Royal Horticultural Society schenkte mir regelmäßige Höhepunkte in meinem Studentenleben. Ich war für das eine Jahr Mitglied geworden, das ich in London studierte. Wenn das Magazin kam, ließ ich für mindestens einen Abend die Texte liegen, die wir täglich für das Studium zu lesen hatten. Erst einmal vertiefte ich mich in meine Gartenzeitschrift. Die Fotos waren schön, auf ihnen blühte fast immer etwas, auch im Winter, und die Autoren sprachen von ihren Erfahrungen mit und von ihren Vorlieben für manche Pflanzen.
Ich glaube, das ist es, was mein Interesse weckt, wenn jemand, um ein Bild zu benutzen, noch schwarze Fingernägel hat, während sie davon berichtet, was sie gerade im Garten erlebt hat. Hier ein Sie einzufügen ist nicht nur Ausdruck eines Feminismus, sondern beschreibt eine Tatsache: Es sind fast immer Frauen, deren Texte ich gerne lese, ich grübele noch über die Frage, warum das so ist.
Inzwischen weiß ich, warum mir in den englischen Zeitschriften so viel Blühendes auffiel: Man arbeitet dort oft mit Blumentöpfen, die geschickt zwischen die grünen Stauden und Sträucher gestellt werden, wo immer ein Blühloch entstanden ist. Es bedarf einer gewissen Übung, bis man dies erkennt, in der Natur und in den Zeitschriften, vor allem in denen aus England, wo über das Jahr die Blühzeiten anders und länger sind als bei uns. Immer wieder gibt es auch in deutschen Gartenzeitschriften Bilder aus England mit ihrer überschwänglichen Blütenfülle.
Als mein Studienjahr in London vorbei war, habe ich, schweren Herzens, meine Mitgliedschaft aufgegeben. Der Gedanke, die Zeitschrift, als Gruß aus der Ferne, nach Berlin geschickt zu bekommen war reizvoll. Aber ich fürchtete, dass das Lesen mich eher traurig machen würde, denn mein Garten liegt dort, wo es blühende Landschaften höchstens mal im Frühling gibt. Unser Klima ist kontinental, und im Winter merke ich immer wieder, dass zwischen meinem Vorgarten und Sibirien keine natürliche Grenze liegt. Daran wollte ich nicht immer erinnert werden, denn das Lesen einer Gartenzeitschrift soll mich aufmuntern und Freude bereiten. Im Sommer komme ich kaum dazu, sie zu lesen, der Winter ist meine Zeit für Gartenlektüren geblieben.
Inzwischen, zwanzig Jahre später, bin ich eine selbstbewusste Gärtnerin geworden und finde meinen Garten schön, so wie er ist. Nun traue ich mich wieder die Zeitschrift der Royal Horticultural Society zu lesen. Abonnieren will und muss ich sie nicht: Immer weniger habe ich das Bedürfnis, Zeitschriften oder Bücher zu besitzen und zu sammeln. Zum Glück habe ich diese Zeitschrift in Berlin entdeckt: in der Gartensammlung der Bibliothek der Technischen Universität. Sie heißt Garden. Man kann sie in Ruhe lesen, und viele andere Gartenzeitschriften auch. Wenn Sie dort mal vorbeischauen wollen, in der Nähe des Bahnhof Zoo, unbedingt mit einem Vorhängeschloss kommen! So kann man seine Sachen einschließen, während man liest, mitnehmen in den Lesesaal geht nicht. Für das Lesen braucht man keinen Ausweis. Nach den Jahren der Abstinenz lese ich sie nun wieder sehr gerne. Ich sitze zwischen den Studenten und Dozenten mit ihren Laptops, mache mir Notizen auf Papier und fühle mich in ihrer Mitte jung und wissbegierig.
Einige Jahre lang probierte ich deutsche Gartenschriften durch, auch mit der Absicht, eine zu abonnieren, aber keine gefiel mir. Als Ratschläge las ich immer öfter Informationen, die mir nicht neu waren, zu Dingen, die ich längst praktizierte. Dazu kommt: In deutschen Gartenzeitschriften wird mir zu viel gebaut und gebastelt, feste Garteneinrichtungen geschaffen, zu selten geht es um Pflanzen, was sie mögen oder nicht und wie man sie zusammenstellt. Am meisten störten mich untergeschobene Fotos aus englischen Gärten, die nicht immer als solche gekennzeichnet waren.
Lieber kaufe ich spontan, wenn ich reise und in Urlaubsstimmung bin, leiste ich mir bei der Abfahrt immer einen Besuch beim Zeitungsladen und schaue, was es Neues auf dem Markt gibt. Der Gartenmedienmarkt ist immer noch im Wachsen, er wird unüberschaubar. Eine Zeit lang las ich gerne die LandLust, sie hat inzwischen eine Auflage von über einer Million und läuft, zur Überraschung gerade der Journalisten, anderen Zeitschriften den Rang ab. Es ist eine gut gemachte Zeitschrift, mit sehr schönen Fotos und guten Artikeln über Pflanzen. Immer, wenn mir ein Beitrag gefiel, guckte ich auf den Namen der Autorin, es war nie ein Mann dabei. Ich erwog auch, sie zu abonnieren, aber nach zwei Jahren fast regelmäßigen Lesens wurde sie mir zu betulich, es geht viel um Brauchtum, als wäre es ein Wert an sich, wenn man Dinge so herstellt, wie es früher nötig war. Ich freue mich über technischen Fortschritt und genieße die Annehmlichkeiten, wenn die Qualität gleich bleibt. Dann werden Kleidungsstücke oder Accessoires gefertigt, die ich nie tragen würde. Und die Kinder in den Artikeln freuten sich riesig über Dinge, die meine Enkel langweilig finden.
Aber der Hauptgrund ist ein anderer: Ich will ja nicht auf dem Land leben oder von einem Landleben träumen, sondern habe die Möglichkeit, in einem kleinen Stadtgarten, im Hier und Jetzt, mein Paradies zu schaffen. Wenn ich jedoch in Kauflust bin, wird es gerne wieder eine LandLust, wegen der schönen Fotos und Berichte über Pflanzen. Gelegentlich probiere ich andere Zeitschriften, um festzustellen, dass meine Erwartungen zu speziell sind. Mindestens fünf Nachahmer gibt es mit dem Namen Land im Titel. Die Landfrau, eine der neueren Zeitschriften, ist vielleicht interessant für Frauen, die mehrere tausend Quadratmeter zu bewirtschaften haben, deren Beruf ist, Landfrau zu sein. Mir ist ja gerade das Paradiesische wichtig, mein Garten muss nicht, nein, er darf nicht nützlich sein, dann verlöre er seinen spielerischen Reiz.
Wann immer es in Zeitungen oder Zeitschriften Gartenartikel gibt, lese ich sie. Neben den vielen Frauen, deren Betrachtungen ich gerne lese, gibt es zwei Männer, beide schreiben für den Berliner Tagesspiegel, sie schreiben, um bei dem Bild zu bleiben, mit sauberen Fingernägeln. Der eine listet Produktinformationen über Neuheiten auf, über Erfahrungen mit Pflanzen hat er nichts zu berichten, ich lese ihn daher kaum noch. Anfangs hatte ich in Gärtnereien nach diesen Pflanzen gefragt, man kannte sie dort nicht. Ich interessiere mich für Pflanzen nicht, weil sie neu sind, sondern weil sie mir für meinen Garten gut gefallen und ich gute Chancen sehe, dass sie Gefährten für die Zukunft werden, sich bei mir wohlfühlen und gedeihen. Eine Reihe von Sorten habe ich bewusst mehrfach, weil ich sie gut kenne und weiß, dass sie zu uns und in unseren Garten passen. Neuheiten sollen andere ausprobieren.
Der andere Autor schreibt über „den Garten meiner Frau“. Gerne würde ich mit ihr einmal sprechen, zum Beispiel, was sie mit der Azalee gemacht hat, die nach dem Verpflanzen aus einem Sonnenplatz in den Halbschatten zu blühen anfing. Welche Erde hat sie? Welchen Dünger? Hat sie sie beschnitten? Die für den Gärtner wichtigen Fragen werden in seinem Artikel nicht einmal gestellt.
Allerdings, und das muss nun unbedingt gesagt werden, viele der Fachbücher, in denen ich gerne lese, das über Clematis oder das über Kamelien, sind von Männern geschrieben. Und zum Schluss noch ein schönes Buch von Johann Roth, Gartenlust im Herbst (Insel), es gibt auch zu den anderen Jahreszeiten Bände. Er war früher Gartenkolumnist der ZEIT, die Kolumne gibt es leider nicht mehr. Aber auch bei meinen vielen Gartenbüchern stelle ich fest: Es überwiegen Autorinnen, wenn ich etwas gerne lese.