Ihre großen Blüten mitten im Winter faszinieren mich, seitdem ich sie in London kennenlernte. Sie fingen in den Stadtparks im Januar an zu blühen. Im Februar gab es riesige Wände voll Blüten im Botanischen Garten Kew Gardens, zu dieser Zeit auch in Cornwall und Wales, in den dort angelegten Gärten und Parks. Das ist es, was mich so anzieht, ihre großen Blüten, wenn andere Pflanzen ihren Winterschlaf halten. Die Kamelien bestimmen seither meine Winter. Im Oktober beginnen die zwei weißen Sasanquas zu blühen, wenn wir Glück haben und der Frost spät im Jahr kommt, oder erst im neuen Jahr, dann strahlen sie in diesen dunklen Zeiten. Von den anderen, die auch draußen sind, sehen wir die Blüten erst im April und Mai, zu einer Zeit, in der die Frühlingsblüher ihnen Konkurrenz machen. Uns fehlt der Golfstrom, der ihnen im Winter mit seiner Wärme zur Blüte verhilft. Inzwischen habe ich fünf Kamelien, aber mehrere sind schon eingegangen. Die erste überlebende Kamelie war eine R. Wheeler, heute ist sie die größte von allen.
Meine Erfahrung kann ich so zusammenfassen: Ja, es geht auch in Berlin, Kamelien draußen zu überwintern und blühen zu lassen! Ja, es ist ein großer Aufwand! Und immer öfter frage ich mich, ob er sich lohnt, denn wenn die Königin endlich blüht, steht sie mitten in oder hinter schönen Frühlingsblühern. Im Wintergarten, zum Glück habe ich ja einen, kann man die Blüten früher sehen, zudem in einer Zeit, wo die Sehnsucht nach ihnen am größten ist. Als ich mit meinen Kamelien begann, war ich jung und ehrgeizig und wollte es unbedingt schaffen, sie draußen zu halten. Angesichts meines Älterwerdens werde ich künftig mit meinen Energien behutsamer haushalten. Lesen Sie dieses Kapitel wie einen kleinen Entwicklungsroman! Es war eines der ersten Kapitel, die ich schrieb, und es beschreibt meinen jahrelangen Weg zu diesen Schönheiten im eigenen Garten. Missen möchte ich ihn auf keinen Fall.
Um Kamelien zu verstehen, musste ich mich durch eine Fülle von Büchern „fressen“, darunter eines zur gewerbsmäßigen Anzucht von Rhododendren, Eriken und Kamelien. Heute, im Zeitalter von Wikipedia, wäre das wohl leichter gewesen, denn ich wollte damals nur wissen, was sie für Erde brauchen. Inzwischen weiß ich, dass ein deutscher Mönch namens Kamel sie als Teepflanzen aus Ostasien gebracht hat und Carl von Linné beim Schaffen seiner Nomenklatur den Namen Kamelie daraus geprägt hat. Zu den wackeren Pionieren, die mit der Botanisiertrommel in die Welt zogen, gibt es eine Fülle von Geschichten. Am besten gefällt mir die Legende, nach der die weißen Langnasen eigentlich Teepflanzen aus dem Reich der Mitte stehlen wollten und mit Kamelien abgespeist wurden.
Spannend sind ihre Zeiten als Modeblumen. Nicht nur in Frankreich, auch in Sachsen gab es einen Kamelienzüchter, der zur Ballsaison ein Vermögen machte, weil man seiner Balldame ein Blumengesteck aus Kamelien schenken musste, um sie zum Tanze führen zu dürfen. Dazu gibt es einen Roman mit dem Titel Der Kamelienwald (Sandstein).
Von den ersten fünf Kamelien in Europa wuchsen zwei in Deutschland, die in Pillnitz steht noch, seit weit über 200 Jahren. Zweimal habe ich sie besucht: Im Sommer steht sie als großer Solitär im Park, im Winter wird ein Glashaus auf Schienen über die Kamelie geschoben. In deren engem Gehäuse gibt es Treppen, die einen durch die Blüten führen, aber einen Fernblick erhält man nicht. Die Blüten sind recht klein. Ich war froh, dass ich wenigstens vorher schon den Sommerblick genossen hatte, um mir die Schönheit vorstellen zu können. Im Buch Zauberhafte Kamelien von Peter Fischer (blv) ist auch ein Foto der Pillnitzer Pflanze mit Blüten von Ferne und ohne Glashaus, das hätte ich gern selbst gesehen. Die zweite Kamelie in Deutschland, in Herrenhausen, wurde im 2. Weltkrieg ein Opfer der Bomben.
Inzwischen bilde ich mir ein, mit meinen Kamelien zu fühlen und ihre Lebensräume zu kennen. Ich lebe mit Artgenossen in großen Bergwäldern im Schutze höherer Bäume. Den Winter verbringe ich (natürlich!) draußen, gerne im Schutze von Schneemassen. Eine hohe Luftfeuchtigkeit mit viel Regen reicht zum Leben aus. Das schützt meine voll entwickelten Knospen am besten. Wenn dann der Schnee taut, bin ich bereit zur Blüte. Der Schnee schützt mich vor der Morgensonne und starken Winden. Im Sommer bin ich sowieso draußen, aber im Schatten, nicht in der prallen Sonne. Windig sollte es da auch nicht sein. Nur in der Ruhezeit möchte ich umgetopft oder gepflanzt werden. Diese liegt nach der Blüte, meist im Sommer. Danach bitte düngen, zum besseren Ansatz der Knospen, aber nicht mehr pflanzen! Dann wollen wir eine lange Zeit in Ruhe gelassen werden, bis die Blüte vorüber ist. In geheizten Wohnzimmern vertrocknen meine Knospen nach wenigen Stunden und ich blühe nie.
Draußen können sie überwintern, wenn das Stämmchen dicker ist als ein Bleistift, ich frage mich immer, was für einen Bleistift meinen die? Eingepflanzt werden sie bei mir in einen 20 l Eimer mit Moorbeeterde und Drainage, der in die Erde eingelassen ist. Ich denke, dass es so noch etwa bis 2020 gutgeht, schreibe es aber schon mal für die Erben auf: Irgendwann brauchen sie neue Erde und möglichst einen größeren Topf! Der eigene Topf schützt sie auch vor dem Wurzeldruck von Begleitpflanzen. Allerdings sollte er nicht zu groß sein, da sie sich sonst in den ersten Jahren mehr auf die Wurzelbildung konzentrieren als auf die Blüte (Zauberhafte Kamelien). Sie können sehr alt werden, in ihrer ostasiatischen Heimat stehen Tausendjährige.
Auch im Berliner Klima sind sie winterhart, wenn auch unterschiedlich. Am reizvollsten ist, dass sie zu ganz unterschiedlichen Zeiten blühen und man so über viele Monate Blüten haben kann. Inzwischen versuche ich auch beim Düngen die unterschiedlichen Ruhezeiten zu berücksichtigen, je nachdem, wann sie blühen, die als erste im Oktober blühende lasse ich schon ab April in Ruhe, die anderen entsprechend später. Ich glaube, das tut ihnen gut so.
Eingepflanzt in ihrer Moorbeeterde stehen sie gern im lichten Schatten. Wenn es trockene Kälte unter minus vier Grad gibt, werden sie mit Noppenfolie angezogen, um die Knospen zu schützen. In einem sehr schneereichen Winter war ich zufrieden, sie vollkommen eingeschneit ohne Abdeckung auf den Frühling warten zu lassen. Geschadet hatte ihnen nicht Kälte, sondern die Dachlawinen brachen über ein Drittel der Pflanzen um. Nach über fünfzig Jahren Wintererfahrung in Berlin hatte ich mit Dachlawinen nicht gerechnet. Zum Glück gab es sie seither nicht noch einmal. Die dunkelrosa R. Wheeler ist trotz dieser Schäden die größte geblieben, sie blüht als letzte der Kamelien, meist im Mai.
Auch bei Dauerfrost mache ich mir eher Sorgen um die Blütenknospen als um die Pflanze. Die Knospen werden ja spätestens im Sommer angesetzt, um im Oktober/November (die Sasanquas) oder erst im nächsten Frühjahr zu blühen. Die Verpackung bietet einen Frostschutz. Wenn es etwas wärmer wird, kann die Verpackung gelockert werden, damit Tageslicht an die Pflanze kommt. Direkte Sonnenstrahlen bei Frost sind Gift für Kamelien. Früher hatten wir alte Strohmatten, die sehr natürlich wirkten, und ich blickte abfällig auf die armen Pflanzen in anderen Gärten in ihren Plastikverpackungen. Doch das Stroh wurde nass und fror an den Blättern fest. In den Läden sehe ich jetzt oft Jute als Schutzmaterial. Da befürchte ich ähnliches. Deshalb bin ich inzwischen auch für dieses Plastikzeug, obwohl der Kamelienzüchter Peter Fischer in Wingst davor warnte. Sein schon erwähntes Buch von 2007 kann ich sehr empfehlen, für mich kam es leider zu spät, ich musste mir das meiste Wissen vorher zusammenklauben. Auf den besonderen Aspekt, dass man vor allem die Knospen vor Frost schützen muss, weist er nicht ausdrücklich hin. Wir kaufen zum Schutz eine riesige Rolle Noppenfolie mit 50 laufenden Metern, für nur € 24, allerdings von einer dünnen Qualität, die, wenn es richtig kalt wird, doppelt gelegt werden muss.
Um die Pflanzen nicht immer einpacken zu müssen, erstand ich eine Sasanqua Vanessa Paradise, die im Herbst blüht. Sie ist weiß und steht in Belleroche, dem kleinen Senkgarten am Haus, den ich von meinem Zimmer sehen kann. Nun ist schon die Zweite gefolgt. Wenn der erste Frost spät kommt, genieße ich einige Wochen winterlichen Kamelienzauber, bis in den Januar hinein.Nach der Blüte werden sie nicht eingepackt.
Eine Kamelie mit dem Namen Flame steht nach zwei Wintergartenwintern nun im Freien. Sie bringt noch unter der Plastikschicht Rot in die Knospen und blüht draußen als erste mit kleinen gefüllten Blüten. Es bestätigt sich, was ich las, nämlich dass sie besonders winterhart sei. Sie wird als zierlich aufrecht wachsend beschrieben, damit würde sie ihr Plätzchen gut ausfüllen. Allerdings ist sie inzwischen schon so groß, dass ihre Plastikverpackung im Winter von der Nachbarin gesehen wird. Sie beklagt den hässlichen Anblick.
Kamelien haben oft Mutationen, also einzelne Triebe, die am selben Ast in einer anderen Farbe blühen als die Ursprungspflanze. Wird dieser Trieb vermehrt, gibt es neue Pflanzen. In manchen Büchern wird der Eindruck erweckt, dies wäre ein leichtes Unterfangen. Mein Versuch, Kamelien aus einem Ableger zu ziehen, scheiterte. Ich ließ mir von einem Kamelien-Züchter Hormone schicken, schuf eine feuchte Kammer um den Trieb und fand schon vor Ablauf der vorgesehenen drei Wochen, dass der Trieb abgestorben war. Ich werde es wohl nicht noch einmal versuchen.
Immer wieder haben die Kamelien Sackschildlausbefall. Die Blätter sind betroffen, es reicht meist sie mit einem Schwamm abzuwischen. Besonders befallen sind die unteren Blätter, an die man schlecht herankommt. Ich hatte ein Foto des Schädlings per email an die Kamelienzucht Peter Fischer in Wingst geschickt und eine prompte Antwort mit der Diagnose bekommen. Lange schon hatte ich geplant, nach Wingst zu fahren, um dort die Kamelien draußen blühen zu sehen. In einem Telefonat erfuhr ich, dass es dort so ist, wie in Berlin: Im März blühen sie unter Glas und erst im April auch draußen. Ich dachte, sie würden dort, in der Nähe der Nordsee, von dem milden Meeresklima profitieren. Nachdem Peter Fischer 2013 starb, wurde Wingst aufgrund einer „Nachlassinsolvenz“ geschlossen. So wurde nichts aus meinem Plan, einmal mit ihm persönlich zu plaudern. Er hatte auf Mails immer freundlich geantwortet und mich telefonisch gut beraten.
Im Februar lohnt immer ein Besuch im Gewächshaus des Botanischen Gartens in Berlin-Dahlem. Der große Saal mit blühenden Kamelien und Azaleen, alles in rosa, rot und weiß, ist ein Traum. Ich höre gern den sachkundigen Berlinern zu, die beim Betrachten von ihren Missgeschicken bei der Pflege ihrer Kamelien berichten. Bisher habe ich noch immer der Versuchung widerstehen können, meine Erfahrungen dazu zupacken. Irgendwann wird es einem im Gewächshaus zu warm und feucht. Dann wird man auf dem langen Weg zum Ausgang noch durch die Hallen mit den fleischfressenden Pflanzen geführt.
Einmal war ich im Februar an der Côte d’Azur, wo es sich, wie die Reichen und ihre Schönen schon lange wissen, gut überwintern lässt. Béatrice Ephrussi de Rothschild hat vor über hundert Jahren einen großen Garten anlegen lassen, in dem im Februar neben Mandelbäumchen und einer Zierpflaume auch einige Kamelien in schönster Blüte stehen.
In Gartenromanen oder Berichten über englische Aristokraten und ihre Gärten werden ausführlich deren Spleens beschrieben, etwa im Winter eigene Orangen zu ernten oder Erdbeeren schon Ostern zu essen. Das Gegenstück dazu sind englische Rasen auf Sizilien, deren Grün sich deutlich vom sommerlichen Braun der Felder abhebt. Inzwischen denke ich, dass meine im Garten blühenden Kamelien in Berlin auch in Richtung Spleen einzuordnen sind.
Lieber besuche ich meine Schwestern, die Kamelien, da, wo sie sich zu Hause fühlen, als Rentnerin geht das. Ein Reisetipp stand ein Jahr lang ganz oben auf meiner Wunschliste: die Kamelienroute an der galizischen Atlantikküste südlich von Santiago de Compostela. Man reist von Park zu Park und besichtigt, nach Ankündigung, großräumige Gärten, geführt von den aristokratischen Besitzern oder ihren Gärtnern. Dort blühen, im Schutz des Golfstroms, im Winter tausende von Kamelien. In Pontevedra streitet man sich, weil der Bürgermeister sie abholzen möchte, da die großen Blüten die Straßen zudecken. Dieses Blütenmeer musste ich unbedingt sehen.
Ein spannender Bericht! Ich komme aus Neuseeland wo sicjh Kamelien auch sehr heimisch fühlen und ich bin ziemlich stolz auf mich daß ich eine einzige Kamelie durch den Winter gebracht habe hier in Berlin . Man lernt ja nie aus und Ihre Tipps werde ich nächten Winter anwenden! Vielen Dank!
Lieber David,
ich komme gerade aus einem Urlaub auf Madeira zurück, dort sieht man in den Parks und Gärten überall blühende Kamelien.
Meine im Wintergarten fangen gerade an, die draußen stehenden beginnen etwas Farbe in die Knospen zu bringen.
Wann blüht Deine? Wo hast Du sie überwintert?
Mit einem Vorfrühlingsgruß,
Eva Luber