Ich bin immer auf der Suche nach Studien über die Bedeutung des Grüns für die menschliche Gesundheit. Da kam die Juni-Ausgabe der Zeitschrift der Berliner Ärztekammer wie gerufen mit dem Titel: Heilsame Architektur, Ganzheitliche Raumkonzepte für Kliniken und Praxen. Frau Dr. A. Müller-Lissner hat sie geschaffen: Berliner ÄrztInnen
Besonders gefällt mir die Kolumne zum Vitamin G.
Mit Genehmigung von Autorin und Redaktion darf ich sie hier übernehmen:
Vitamin G
Gärten, Grün, Gesundheit
Wer in der Datenbank PubMed mit den Stichworten „garden“
und „medicine“ nach Fachartikeln sucht, wird feststellen,
dass die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen in diesem
Bereich im vergangenen Jahrzehnt sprunghaft angestiegen
ist. Dass vor allem städtisches Grün angesichts der Klima-
veränderungen in den Hitzeschutzplänen von Metropolen
wie Berlin eine wichtige Rolle spielt, ist inzwischen unbe-
stritten. Es ist schließlich Teil der gesundheitlichen Präven-
tion und ein wichtiger Baustein der individuellen Resilienz.
Doch können Gärten, Parks und andere Grünanlagen auch
für das Wohlergehen und womöglich sogar für die Behand-
lung bereits erkrankter Menschen bedeutsam sein?
„Kranke haben ein anderes und intensiveres Architektur- und
Umgebungsempfinden als Gesunde“, sagt der Internist Prof.
Dr. med. Heinrich J. Lübke, der nach seiner Zeit als Chefarzt
am Berliner Helios-Klinikum Emil von Behring begann, sich
intensiv mit der Thematik „Garten und Medizin“ zu beschäf-
tigen. Er kann auf eine ganze Reihe von Studien verweisen,
die belegen, dass es in ambulanten Einrichtungen und in
Krankenhäusern häufig die Wartebereiche sind, die Patien-
tinnen und Patienten, aber auch begleitende Angehörige in
Stress versetzen. Schon einfache Dinge wie die Existenz von
Fenstern können die Anspannung mindern.
Bereits im Jahr 1984 belegte eine in der Fachzeitschrift
„Science“ veröffentlichte Studie von Roger Ulrich, dass sich
Patient:innen, die nach einem operativen Eingriff in einem
Zimmer mit Blick auf grüne Bäume liegen, schneller erholen
und weniger Schmerzmittel brauchen als die Teilnehmenden
einer Vergleichsgruppe, deren Patientenzimmer nur den Blick
auf eine Hauswand bietet. „Der Sichtkontakt zur Natur und
zur Außenwelt ist die beste Möglichkeit, um schnell wieder
Kontrolle über eine Situation zu gewinnen, Stress abzubauen
und das Gefühl zu erhalten: ‚Ich kann hier raus‘“, erklärt Lübke.
Menschen mit einer psychischen Erkrankung können einige
Tage früher aus der Klinik entlassen werden, wenn ihr Zimmer
nach Osten ausgerichtet ist, zum Sonnenaufgang.
Ganz konkrete Interventionen wie eine Gartentherapie ver-
bessern das Wohlbefinden von Demenzkranken und führen
dazu, dass sie weniger störendes Verhalten zeigen, weniger
Psychopharmaka einnehmen, seltener schwere Stürze er-
leiden und deutlich besser schlafen. „Grünräume und Gärten
sind mehr als ein bloßer Luxus“, folgert der Internist Lübke.
Aus dem für seine besonders schönen Gartenanlagen be-
kannten Großbritannien kommt das Vorbild der „Maggie’s Centers“, benannt nach einer Krebspatientin. In Manchester
hat bei dem Projekt des Architekten Norman Foster und des
Gartengestalters Dan Pearson jeder der barrierefreien, eben-
erdigen Räume Zugang zu einem eigenen kleinen Garten.
In Berlin hat die Charité im Rahmen des Symposiums
„Palliative Care im Grünen: Garten im Kontext“ im Jahr 2023
den neu gestalteten Palliativgarten des Palliativhauses für
Schwerstkranke mit nicht-heilbaren neurologischen und
hämato-onkologischen Erkrankungen am Campus Virchow-
Klinikum (CVK) feierlich eröffnet. Über einen mit Pflanzen,
Stauden und Bäumen gesäumten Rundweg können die Pa-
tientinnen und Patienten im 700 Quadratmeter großen Gar-
ten gemeinsam mit ihren Angehörigen vier Rückzugsorte im
Grünen zu Fuß, im Bett oder im Rollstuhl erreichen.
Und ganz aktuell liefert eine Studie im Open-Access-Journal
„Nature Communications“ sogar Hinweise darauf, dass allein
das Anschauen von abgebildeter Natur heilsam wirkt: Ein
Team der Medizinischen Universität Wien untersuchte das
subjektive Schmerzempfinden und die Hirnaktivität von Pro-
band:innen, die leichten elektrischen Schlägen ausgesetzt
werden. Teilnehmende, die währenddessen Filme mit Na-
turaufnahmen anschauten, reagierten weniger stark auf die
unangenehmen Reize als die Vergleichsgruppe, die sich Videos
mit Aufnahmen aus Städten und Büros ansah.
Weiter empfehle ich den Artikel in der Schrift Stadt + Grün von Dr. Heinrich Lübke: Stadt + Grün
Und staune, wie Politiker, die Verantwortung für unsere Gesundheit übernehmen, diese Erkenntnisse ignorieren können…
Liebe Eva,
diesen Beitrag finde ich mega interessant!
Ich hatte mit beginnendem Alter immer intensiver das Bedürfnis, Grün vor den Wohnungsfenstern zu sehen. Darauf habe ich bei der Wohnungssuche auch sehr geachtet. Es ist mir zum Glück gelungen, immer einen Baum vor der Nase zu haben.
Und die Beispiele von gesundheitsfördernder Wirkung in Kliniken und Praxen, wenn der Blick ins Grüne fällt, ist beeindruckend.
Darauf werde ich, angeregt durch Deinen Beitrag, in Zukunft mehr darauf achten.
Danke auch für die angegebene Literatur!
Alles Gute und liebe Grüße
Christine