Ich mag Menschen, die von ihrer Arbeit begeistert sind, und auch wissen, warum. So ging es mir mit Eve Bubenik: Für meinen Blogbeitrag zu „Bio oder samenfest“ besuchten wir im letzten Jahr ihren Betrieb, die Keimzelle in Vichel in der Ostprignitz.
Im Rahmen der Brandenburger Landpartie, bei dem im Juni Höfe an zwei Tagen Besucher empfangen, hatte Eve Bubenik die Türen geöffnet. Mir gefiel der Hof so gut, dass ich sie nun um ein Interview bat. Ich wollte sehen, was eine Frau dazu bringt, im Rhinluch einen Betrieb aufzubauen, der Samen produziert. An dem gut zweistündigen Gespräch am Ostermontag nahmen unsere Partner teil, für die Keimzelle Herr Winni Brand, der den Betrieb mit ihr führt.
Eve Bubenik wuchs in Berlin-Wilmersdorf auf, in der Innenstadt, aber mit einem Kleingarten in Rudow. Ihre Mutter, eine Landschaftsgärtnerin, nutzte die Laube so oft es ging. Schon als kleines Mädchen kaufte sich Eve vom Taschengeld Samentütchen, gerne auf der Grünen Woche. Sie wurde jedoch oft enttäuscht, wenn nicht mal die Hälfte der Samen zu Pflänzchen wurde. Da die Mutter die Bundesgartenschau mitgestaltet hatte, verbrachte Eve viel Zeit auf dem Gelände.
Als Jugendliche probierte sie Vieles aus, wechselte die Schulen, schmiss schließlich die Schule und später die Lehre als Gärtnerin, immer, wenn sie Dinge tun sollte, die nicht zu ihr passten. Einige Jahre war sie auch ein „Punk vom Kotti“ wie sie sagt und lebte in einer Wagenburg, wo sie, schon zusammen mit Winni Brand, den Garten gestaltete.
Als es Zeit war, eine Anstellung zu finden, wurde sie tierärztliche Helferin in Kreuzberg und blieb dort 20 Jahre. Schon immer liebte sie Tiere, aber Hunde hatten zu Kinderzeiten nicht zum Familienkonzept gepasst. Sie behalf sich so: Manchmal ging sie neben Hunden und deren Besitzern Gassi und bildete sich ein, es wäre jetzt ihr Hund, den sie da ausführte.
Die Tiere spielen auch in der Keimzelle eine wichtige Rolle, sie sind Teil des Kreislaufs der Natur. Die Lehren von Rudolf Steiner stehen zwar im Hintergrund, sind aber Leitlinie. Die Pferde werden für den Dünger gehalten, Hund und Katze bringen vor allem Freude und auch die Schäfchen, zu denen wir später kommen, aber hin und wieder ergeben sie auch einen Braten.
Schlüsselerlebnis mit DDR Samentütchen
Zu Wendezeiten, als wir Westberliner in den Osten durften, fand sie am Alexanderplatz ein HO-Geschäft mit einem Stand voller DDR Samentütchen. Sie säte im Garten der Wagenburg einige aus und alle Samen verwandelten sich in Pflänzchen, deren Samen man auch weiterverwenden konnte. Sie selbst bezeichnet das als Schlüsselerlebnis. Samen müssen ihre Keimkraft weitergeben können. Den industriell veränderten F1 Hybriden, wie sie in den meisten Samenpackungen zu finden sind, ist diese Fähigkeit weg gezüchtet worden.
Nach einigen Jahren in der Wagenburg suchte sie sich mit Winni im Umland eine Bleibe. Über Bioläden kam es zu Kontakten in Vichel. Das Rhinluch ist für seine mäßige Bodenqualität bekannt. Auf einer Skala, die bis 100 geht, erreicht es grade mal 23 Punkte.
Aufbau eines Demeter Betriebes in Brandenburg
Diese „schlechte“ Erde nehmen sie als Herausforderung: Wenn etwas hier keimt und gedeiht, hat es überall gute Chancen. In den 12 Jahren, die sie nun hier leben und arbeiten, sind sie zum Demeter Betrieb geworden. Sie sind Teil eines Brandenburger Verbundes, in dem sich mehrere Höfe zusammengeschlossen haben, um dem Monopol der Samen- und Pflanzengifthersteller in Europa zu trotzen. Sie sind Mitglied im SaatGut-Erhalter-Netzwerk-Ost.
Wer wird geschützt: Samenfeste Sorten oder Absatzchancen großer Konzerne?
Die Rechtslage in Europa, und damit auch in Deutschland dient dem Schutz der großen Konzerne. Übrigens werden in anderen Ländern, etwa in Österreich, diese europäischen Gesetze weniger konsequent umgesetzt. Verkauft werden dürfen nur Samen, die „gelistet“ sind. Dies setzt eine aufwändige (und teure) Neubewertung jedes Samenguts voraus, auch wenn es sich schon seit langer Zeit bewährt hat. Dafür haben die Konzerne gesorgt, damit ihnen diese samenfesten Samen nicht das Geschäft vermiesen.
Die Tütchen haben ein einheitliches Design, Blumen, Kräuter oder Gemüse jeweils einen anderen Farbdruck. Auf jedem Samentütchen steht: „für den nicht kommerziellen Anbau.“ Sie werden alle für € 2,50 verkauft, bei wertvolleren Waren wird weniger abgefüllt. Manche Weiterverkäufer würden gern einen Euro draufschlagen, aber da setzen sie sich durch. Es gibt eine Liste von 20 Läden, die überwiegend in Berlin und Brandenburg sind, und man kann auch online Samen bestellen.
Die Natur macht gerne, was sie will, aber nicht bei Eve
Nach unserem langen Gespräch wurden wir gefragt, ob wir die Lämmchen sehen wollten, und das zu Ostern! Wir spazierten an diesem ersten Sonnentag des Jahres zu deren Weide, die mit einem Elektrozaun gesichert ist. In diesem Jahr gibt es sieben Junge.
Zwei sind schon halbwüchsig, sie sind ein Unfall, denn der Bock hatte zu einer Zeit, als er nicht sollte, einen Zaun überwunden und das Mutterschaf gedeckt. Sie kamen dann schon Ende Januar zur Welt, zum Glück war das Wetter da aber gerade so mild, dass es ihnen nicht schadete. Nun läuft der Bock mit einer Plastikschürze um den Bauch herum, ein Riesenkondom, sonst dürfte er nicht bei der Herde sein.
Wir lernten auch die schlaue Oma kennen: ein Schaf, zur Zucht als dreijähriges Mutterschaf gekauft, vom Tierarzt aber als viel zu alt für die Rolle befunden. Sie darf weiter in der Herde leben, weil sie sich um die Gruppendynamik kümmert. Als Oma gefallen mir solche Geschichten sehr. Zuerst waren die sieben Jungen bei den Alten, manche tranken noch bei Muttern, aber dann trennten sie sich und übten Bocksprünge in ihrer Kindergruppe — ich hätte stundenlang zuschauen mögen.
Aber nicht immer geht es auf dem Lande so idyllisch zu: Eine Schar Raben hat in der Nachbarschaft Kälbern zum Zeitpunkt der Geburt, wenn der Kopf schon geboren ist, die Augen ausgepickt, gewartet bis das Kalb tot ist und es dann verspeist.
Die Bauern haben um eine Abschussgenehmigung für diese Schar gebeten und nicht erhalten. Daher stand Eve, als die Geburten erwartet wurden, jeden Morgen in der Dämmerung auf dem Feld und hat die Raben verscheucht. Inzwischen sind die Lämmer so groß, dass sie der schlauen Oma die Oberaufsicht überlassen und morgens wieder länger schlafen kann.