Dreihundert Jahre alt: Die Späth’sche Baumschule in Treptow! Aber richtig spannend sind die letzten dreißig Jahre!
Mitte Oktober waren wir zu Besuch dort, auf einer Veranstaltung der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur. Geführt wurden wir von Herrn Holger Zahn, der 1987 bei Späth angefangen hatte. Vorher war er in Werder als Fachmann für Obst- und Gemüseanbau ausgebildet worden.
Erst ging es mit der Geschichte der früheren Jahrhunderte los. Das kann man sich gut auf der Webseite anschauen, auch das Jubiläum im September in diesem Jahr ist dargestellt. Was dann kam war wie eine Rückschau auf die letzten Jahrzehnte deutscher Geschichte. Für mich wurde es ein gelungener Abschluss zu den dreißig Jahren deutscher Einheit, die wir in den letzten Wochen feiern konnten.
Die Baumschule war sehr erfolgreich, ihre Züchtungen sind bis heute weltweit bekannt: Ein Kenner wie Herr Zahn sieht auch in fernen Städten dem Wacholder an, wenn es ein Späth’scher ist. Schon lange vor der Globalisierung wurden die Pflanzen in aller Herren Länder verschickt. Im letzten Jahrhundert kam der Betrieb wegen der politischen Verhältnisse ins Strudeln: Der Inhaber wurde während der Nazizeit zwar Parteigenosse, verhalf aber jüdischen Mitbürgern zu Unterkunft und Flucht. Kurz vor Ende der Naziherrschaft wurde er verhaftet und erschossen.
Nach dem zweiten Weltkrieg ging das Hin und Her los. Der Betrieb lag im Bereich der sowjetischen Besatzungszone und war schließlich ein funktionierender DDR Betrieb geworden, als Herr Zahn kurz vor der Wiedervereinigung dort anfing. Man produzierte erfolgreich, züchtete insbesondere heimische Früchte (12 Sorten Sanddorn!) konnte exportieren und hatte ein Auskommen. Der Betrieb investierte in Gebäude und Ausrüstung.
Als die Treuhand kam, galt dies nicht mehr. Es kam zu Enteignungen mit kurzfristig angekündigten Verboten, das Gelände zu betreten. Und es kam ein weiteres Karussell von Besitzern, so wie es im Immobilienmarkt für Großprojekte üblich geworden zu sein scheint. Trotzdem, und vielleicht jetzt gerade, gelang es, einen florierenden Betrieb aufzubauen, der auf dem ausgedehnten Gelände sehr vielfältig aufgestellt ist: vom Kräutergarten über den Gräsermix (15 Sorten!) zum Hofcafé, ein Schwedenhäuschen für den Weihnachtspunsch, um nur Einige zu nennen. Die Mosterei wird sehr gut angenommen. Ab 100 Kilo Äpfeln kann man sie in einem Mostmobil mosten lassen und dann den Saft der eigenen Äpfel mit nach Hause nehmen.
Natürlich werden auch Pflanzen gezüchtet, gezogen und verkauft. Aber welche? Gleich nach der Wende stellte man fest, dass in West- und Ostberliner Gärten gänzlich anders gepflanzt worden war. Man blieb auf dem Bewährten sitzen, weil kein Wessi die Ostpflanzen mochte, aber alle nur noch die aus dem Westen! Mir wurde klar, was eine Baumschule für langfristige Investitionen tätigen muss, um Pflanzen, oft nach vielen Jahren, auf den Markt zu bringen. Und das gelang, obwohl es nur sporadisch Sicherheiten gab. Es war ein Hangeln von einem Schwerpunkt zum nächsten. Auch eine Behindertenwerkstatt half, ein finanzielles Polster zu erwerben. Vor allem im kulturellen Bereich (Theater, Tanzen) kann die Baumschule viel bieten. Wer glaubt, nach der Treuhand wurde es besser, wird enttäuscht, die Berliner Landesregierungen zeigen auch kein Entgegenkommen.
Vielleicht ging es bei der Führung zu wenig um Pflanzen, aber die können wir uns beim nächsten Besuch noch ansehen. Es gibt mehr, als man bei einem Besuch aufnehmen kann. Das Herzstück, das Arboretum, war geschlossen.
Die Führung hat mir vor allem wegen der Persönlichkeit, der Beharrlichkeit von Herrn Zahn gut gefallen. Deshalb zum Schluss sein Abwägen des Für und Wider in Coronazeiten: Was hat man beim Jubiläum im letzten Monat alles gespart: Geplant waren über fünfhundert Ehrengäste, von denen jeder mit mindestens € 20 hätte verköstigt werden müssen. Und die vielen Ansprachen, die gehalten worden wären! Es ist eben nicht alles nur schlecht!