Rezension: Einmal gärtnern wie in Sissinghurst von Astrid Ludwig

Einmal gärtnern wie in SissinghurstSie lieben englische Gärten, oder wollten schon immer mal dahin? Dann ist das Buch Einmal gärtnern wie in Sissinghurst von Astrid Ludwig genau richtig für Sie: Es ist aufgemacht wie ein Reisetagebuch, das die Erinnerung an eine schöne Zeit festhält, mit dem ein Geschenk gemacht werden soll, vielleicht auch sich selbst: Viele Fotos, jede Seite eingerahmt von einem linierten Hintergrund, für jedes Kapitel eine kleine Skizze, fein gezeichnet, die dann auf jeder Seite des Kapitels wiederholt wird. So etwas macht Freude.

Ich las es, um Erinnerungen aufzufrischen: Meine Gartenliebe fing vor einem Vierteljahrhundert mit einem Buch über Vita Sackville-West an, die mit ihrem Mann zusammen den Garten in Sissinghurst geschaffen hatte. Später beginnt dann das erste Kapitel das richtige Alter für das Gärtnern in meinem Buch Blütenfreuden damit an. Und ich hatte (gefühlt) alles gelesen, was zu Vita und ihrem Mann zu bekommen war.

Astrid Ludwig, die Autorin, liebt englische Gärten und will sie nun von innen kennenlernen. Sie bewirbt sich in Sissinghurst als Freiwillige. Das geht einfacher, als erwartet, sie schreibt den National Trust als Träger an, der Chefgärtner heißt sie bald darauf willkommen, sie darf mitarbeiten, allerdings ohne Lohn, Unterkunft oder Verpflegung. Aber, da sie länger bleibt (wie lange, erfahren wir nicht), nimmt sie an den Pausen des Personal teil und nicht mit den anderen Freiwilligen.

Ihr Aufenthalt war vor Kurzem und so kann sie, für mich, von Veränderungen berichten: Erstmals seit Jahrzehnten gibt es einen Mann als Chefgärtner, Troy Smith, der sie freundlich einarbeitet. Davor waren es immer Frauen, Vita hatte noch die „Mädchen“ (wie sie auf Deutsch sagte) eingestellt, die den Garten bis drei Jahrzehnte nach ihrem Tod pflegten. Er will „intuitiv gärtnern“, so wie Vita, schließlich sei es der Chefgärtner, der über die Pflanzungen entscheide.

Die Besucherzahlen gingen zurück, von über 200 Tausend in den Neunzigern auf jetzt um die 160 Tausend im Jahr. Troy Smith will den Garten so attraktiv machen, dass „die Menschen wiederkommen wollen.“ Dazu gibt es jeden Tag eine Schiefertafel voll mit den Höhepunkten, die es gerade zu sehen gibt. Und kurze Vorträge von drei bis fünf Minuten, wo über Pflegetechniken beraten wird. Manche der Gärtner scheuen diese Auftritte noch.

Sie stellt uns die Kollegen vor, erzählt von den Ausflügen in andere Gärten in der Umgebung, wo sie herzlich empfangen wurde, als Gartenliebhaberin fand sie immer Gesprächsstoff.

Es wird auch sehr viel zitiert, wobei es ihr gelingt, aus der Fülle des von Vita und Harold Geschriebenen eine Auswahl zu treffen. In meinem Kapitel Frauengärten und Männergärten berichte ich von der übergroßen Fülle an Literatur.

Besonders gespannt war ich, ob sie auch auf Vitas Hochnäsigkeiten hinweist. Mir war in den Jahrzehnten, die ich als Fan von Vita über sie und von ihr las, klar geworden, wie groß ihr Standesdünkel war, eben wie eine Aristokratin viktorianischer Zeit. Frau Ludwig löst es sehr elegant, erst berichtet sie, dass der über alles geliebte Chefgärtner, dessen Abwesenheit während des Krieges kaum auszuhalten war, ohne viel Aufhebens entlassen werden musste, weil er Kommunist sei.

Auf der nächsten Seite beschreibt sie, wie Vita die Enttäuschung überwinden konnte, dass ihr Mann bei einer Beförderung nur Sir, aber nicht Lord geworden war: „Ich stelle mir daher vor, wie sie nach der unerquicklichen Sache mit dem Ritterstand mit ihrem geliebten Hund in den Garten ging, eine ihrer Zigaretten rauchte und zornig verblühte Rosen oder Taglilien schnitt und zupfte, bis die Laune wieder stieg.“

Astrid Ludwig wurde auch sehr oft damit beschäftigt, Verblühtes abzuschneiden, um komplexere Pflegearbeiten geht es nicht. Zum Abschluss aber darf sie auch selbst etwas einpflanzen: Sieben Galactitis tomentosa. Sie wissen auch nicht, was das ist? Das Internet verrät: Milchdistel, Wildschweindistel aus Malta-Mittelmeer.

Ich werde in dem Buch immer wieder mal blättern, und vielleicht fahre ich dann mal wieder nach England. Great Dixter liegt in der Nähe von Sissinghurst, da war ich noch nicht …

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