Der Rüdesheimer Platz ist ganz in meiner Nähe, ein kleiner Einkaufskiez, zu dem man gerne läuft. Vor 55 Jahren hatte ich schon mal ein Zimmer zur Untermiete in einem der nun denkmalgeschützten Häuser. Seitdem ich weiß, dass ich über die neuen Bepflanzungen am Platz schreiben werde, kommen mir immer mehr Erinnerungen, etwa, dass damals eine Telefonzelle da war, wo jetzt die Walltoilette ist, die Zelle ist jetzt gegenüber zu einer Bücherzelle geworden. Zum abendlichen Telefonieren musste ich oft Schlange stehen, und für Ferngespräche empfahl es sich, einen Stapel mit Groschen vorzubereiten.
Seit vielen Jahrzehnten gibt es in den Sommermonaten den Weinbrunnen. Da diese Umgebung vor dem Ersten Weltkrieg als Rheingau-Viertel geplant worden war, haben einige der Häuser Weinmotive als Gebäudeschmuck. Natürlich werden Rheingau-Weine angeboten, jedes Jahr von anderen Winzern.
Dazu werden Tische und Stühle aufgestellt. Man kauft sich den Wein am Kiosk (jedenfalls eigentlich!), geniest ihn dann an den Tischen und hat etwas zum Essen mitgebracht. Wenn es keine Plätze mehr gibt, kann man auf den Platz ausweichen und dort picknicken, gerne mit Campingmöbeln. Das nahm Überhand, Rüdinächte wurden lang, der Platz vermüllte, das Bezirksamt musste eingreifen. Nun wird der Weinbrunnen später im Jahr eröffnet, früher geschlossen und: jeden Sonntag auch. Und die Boulespielerinnen, die seit Jahren auf diesem Gelände jeden Sonnabend spielen, werden nicht so lange zum Breitenbachplatz vertrieben.
Aber Schluss mit dem Bericht als Zeitzeugin, es soll ja um die Bepflanzungen gehen: damals war der Platz nicht sehr wohnlich, auf ihm wurde Ball gespielt. Später hat dann unser damaliger Nachbar berichtet, wie er als BVVler erreicht hatte, dass der Platz zum Schmuckstück wurde, mit Pflegestufe eins, was heißt, dass die Beete mehrmals Saison gemäß bepflanzt wurden. Es gab viele Rosen, und auch Cotoneaster. Den gibt es noch, wie auf dem Bild zu sehen ist, aber auch hier haben nicht alle Rosen überlebt. Das ist in meinem Garten nicht besser: Abschiednehmen von den Lieblingspflanzen schafft Raum für neue Lieben
Im letzten Jahr waren dann in den Beeten in Richtung des Weinbrunnens alle Pflanzen entfernt und im Juli gab es dieses Schild:
Wow! Die Gartenarbeitsschule zieht klimaresistente Pflanzen! Ich nahm mir vor, diese zukunftsorientierten Azubis um ein Gespräch zu bitten, und ich verfolgte die Bepflanzungen über den Winter.
Als ehemalige Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes zweifelte ich immer mehr, was die Azubis wohl erzählen würden: Jede/r Beschäftigte im ÖD unterzeichnet seine/ihre Briefe „Im Auftrag“. Ob sie überhaupt mit mir sprechen dürften? Lieber nahm ich Kontakt mit dem Büro von Dr. Gabriele Holst auf, die sich mit mir traf, Steffi Kieback, die den Plan erarbeitet hatte, kam mit, danke schön noch einmal! Wir sprachen erst über das Projekt und dann auch über Möglichkeiten, heutzutage öffentliches Grün zu planen und zu erhalten. Es braucht nicht nur Expertise, Geduld ist auch gefragt.
Die Erde musste wegen eines Pilzbefalls ausgetauscht werden. Dies war die Gelegenheit, wegen der Veränderungen des Klimas eine geeignete Bepflanzung neu zu planen. Es gibt eine neue Humusschicht, die von einer Sandschicht bedeckt ist. Das vermeidet das Austrocknen, und wurde, selbstverständlich, regional besorgt. Wie auf dem Schild erläutert, sind Wellen von geeigneten Pflanzen geplant. Von ihnen war bis Ende März noch nicht viel zu sehen. Nur die Stipa (ein niedriges, sehr feines Gras) hat sich gut im Winter gehalten und bildet Struktur. Wichtig sind Salvien und Fetthennen. Aber geplant war mehr: zum Beispiel Iris, Lilien, ein Mohn, Erodium (eine Geranienart). Und als Zwiebeln Alliums und verschiedene Tulpen. Noch ist nicht abzusehen, welche kommen werden. Als erste sollten die Tulpen sich zeigen. Auf dem QR-Code können Sie den Pflanzplan einsehen.
Andere Bereiche des Rüdis sind schon lange begehrte Ausflugsziele, der Kinderspielplatz, der Weinbrunnen. Vor vielen Jahren stand er mal in einem US-amerikanischen Reiseführer, danach hörte man viel Englisch. Sicher werden irgendwann auch Besucher kommen, um die Wellen der Pflanzen in den Beeten zu bewundern.