Fehlernährte Tomaten

In den zehn Jahren, seit ich in meinem Buch über Tomaten schrieb, Tomaten, die Paradiesäpfel haben wir immer im Frühling drei Pflänzchen Harzfeuer gekauft, die Züchtung aus der DDR, und sie fühlen sich im Kübel auf unserer Terrasse wohl. Dazu kommt inzwischen eine Reihe von Sämlingen, die sich irgendwo im Garten zeigen und auch auf die Terrasse kommen. Da wir die Sorten nicht kennen, bleibt es immer spannend, was da für Früchte kommen. Früher hatte ich noch den Drang, Neues zu erproben, zum Beispiel die Ochsenherztomate (sie ist auf dem Foto im Kapitel zu sehen). Sie war dann zweimal von Braunfäule befallen, blieb klein, wurde braun und ungenießbar.

Die Braunfäule wird verursacht durch einen Pilz (Phytophthora infestans), der oft von Kartoffeln, also einem anderen Nachtschattengewächs, kommt; auch wenn die Kartoffeln weiter weg stehen. Viel Regen befördert das Wachstum dieses Pilzes, das war in den Jahren der Fall, die Harzfeuer standen allerdings daneben und waren nicht befallen. Nun kommen mir die Ochsenherzen nicht mehr in den Kübel, obwohl sie einen besonderen, nussigen Geschmack haben.

Seit dem Erlebnis mit der Braunfäule stehen die Tomaten unter dem Sonnenschirm, der dann die Rolle eines Regenschirms übernimmt. So werden sie nicht zu viel gewässert, aber sie sind auf der Sonnenseite, was die Reifung beschleunigt.

In diesem Jahr gibt es eine andere, nicht-infektiöse Störung: die Blütenendfäule. Es ist eine Ernährungsstörung. Die Tomaten reifen aus, sehen von oben wunderbar aus, haben unten aber, am Gegenpol zum Stiel, einen Fleck, mal grau, mal braun, wie eine Narbe. Die ersten davon wurden noch weggeschmissen, inzwischen weiß ich, dass man sie ohne Bedenken essen kann. Die Stelle schneide ich weg, aus ästhetischen Gründen. Grund für dieser Störung ist der hohe Anspruch der Tomaten an ihre Ernährung. Der Begriff „Vielzehrer“ bringt es auf den Punkt: Sie wollen regelmäßig nicht nur ihr Wasser, sondern auch Dünger und Mineralien.

Aber wie kommt es zur Fehlernährung? Auf Webseiten lese ich, dass es Calcium ist, was sie brauchen. Hatten wir nicht alles richtig gemacht? Gut gewässert, vor allem nach Regen, weil sie ja unter dem Schirm nichts abbekamen, und gedüngt mit einem Spezialdünger. Den gucke ich noch einmal an: Mit einer Extraportion Kalium! Und Kupfer, Eisen, Molybdän, aber kein Calcium!

Es wird aus dem Boden über die Leitungsbahnen in die Blätter und Früchte transportiert. Angetrieben wird dieser Saftstrom durch die Verdunstung der oberirdischen Pflanzenteile. Er gerät immer dann ins Stocken, wenn der Boden durch eine unzureichende Bewässerung zu trocken ist oder wenn die Pflanze durch eine zu hohe Luftfeuchtigkeit nur wenig Wasser verdunstet. Die Folge ist eine Unterversorgung mit Calcium, unabhängig davon, dass der Nährstoff unter Umständen in ausreichenden Mengen im Boden vorhanden ist. Hinzu kommt das Problem, dass die Früchte im Verhältnis weit weniger Wasser verdunsten als das Laub. Dies führt dazu, dass das wenige Calcium, was überhaupt noch über die Leitungsbahnen transportiert wird, zuerst in die Blätter befördert wird und erst an zweiter Stelle in die Früchte gelangt. Diese Ungleichverteilung wird durch eine zu starke Stickstoffdüngung noch verschärft, die wir mit dem regelmäßigen Düngen betrieben hatten.

Wir hatten mit dem angeblichen Spezialdünger die Blattentwicklung gefördert, die mir schon lange als üppig auffiel. Besser wäre es, auch immer Blätter zu entfernen, vor allem die unteren, da sie den Früchten Wasser und Nährstoffe rauben.

Das habe ich nun erledigt.

Dann wollten wir Calciumdünger kaufen, gerne zum Spritzen auf die Blätter, so wie der freundliche Gärtner im Internet es vormacht. Ein Fachhändler fragt nach, ob ich wohl Kalium meine, nein, Calcium zum Spritzen führe man nicht, ich soll mal woanders nachfragen. Jetzt haben wir Algenkalk bestellt und hoffen auf gut genährte Tomaten für den Rest der Saison.

Den Traum, von dem ich im Buch berichtete, irgendwann mal Tomaten so im Überfluss zu haben, dass wir Tomatensuppen machen müssen  haben wir nicht mehr. Dazu sind mir die eigenen zu schade, aber wir haben neben mit Mozzarella und Basilikum ein neues Rezept: mit Salz, dünngeschnittenen Zwiebeln und Zitronensaft. Köstlich.

2 Kommentare

  1. Gerade esse ich eine köstliche Tomate vom Tomatenkönig aus Brandenburg , Horst Siegeritz ,der hier auf dem Markt ein großes Sortiment von roten , gelben , grünen , braunen und gestreiften Biotomaten verkauft .
    Mit Zwiebeln und Zitronensaft esse ich gleich die nächste . Danke!

    P. S. Jetzt hat es „Iowa“tatsächlich auf die
    Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Ich bin gespannt auf das Ergebnis.

    1. Liebe Frau Seifart,
      das Rezept haben wir in Tansanie von unseren arabischen Freunden aus dem Nachbardorf Nduguti–deshalb sind es bei uns die arabischen Tomaten.
      Und wer etwas über Iowa lesen möchte: ich hatte es ihr geliehen, weil auch sie in den USA gelebt hatte, aber auch anderen ist es zu empfehlen, ich habe es unter Literaturzeitschrift.de rezuensiert.
      Eva Luber

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