Einmal im Jahr lädt die hiesige Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur zu einer Führung in Museen. Diesmal war es in der Gemäldegalerie, dass Frau Müller und Herr Hoffmann die versteckten Botschaften der alten Gemälde für uns entschlüsselten.
Frau Müller vom Freilandlabor in Britz kennt sich mit Pflanzen aus, Herr Hoffmann, ein studierter Kunsthistoriker, Theologe und Katholik, wie er sich wieder vorstellte, erklärt die theologischen Hintergründe.
Das erste Bild, von Fra Filippo Lippi, die Anbetung im Walde, hat ein blond gelocktes Baby als Anziehungspunkt der Aufmerksamkeit der Anwesenden: von der Mutter Maria und drei Männern. Warum liegt es im Wald? Was steckt hinter dieser Erzählung? Als Karmelitermönch kannte der Maler die Hintergründe.
Die Geburt fand nicht in einer Privatklinik statt, sondern in einem Stall im Winter. Wenn Herr Hoffmann mit Kindern oder Jugendlichen Führungen macht, lässt er sie sich vorstellen, die Geburt wäre in einer Tiefgarage, da, wo Wohnungslose wohnen. Denn Hirten hatten keinen festen Wohnsitz, sie suchten in einer kalten Nacht Obdach im Stall.
Der Waldboden hat einige Pflanzen, die nicht immer leicht zu deuten sind, auch weil inzwischen Farben verblasst oder verändert sind. Die Madonnenlilie, in der Abbildung direkt unter der wunderschönen fünfzehnjährigen Jungfrau Maria, zeigt alle Entwicklungsstadien der Lilie.
Nelken werden, wegen der Form ihrer Stiele, als Nägel gesehen. Mit vier Nägeln wurde Jesus ans Kreuz genagelt, hier sind es vier kleine rote Blüten. Über allem schwebt wohlwollend ein alter bärtiger Mann, das ist Gott.
Wo ist Joseph? Was Herr Hoffmann dazu wusste, hatte ich so noch nie vermutet: Wenn überhaupt, dann wurde er als Tattergreis gemalt, dem niemand auch nur zutrauen würde, die vor neun Monaten vierzehnjährige Maria hätte ihn sexuell reizen können. Darauf werde ich nun bei Krippenszenen achten.
Den Umständen von Marias Jungfräulichkeit war ich schon mal nachgegangen, ich heiße ja Eva Maria: Im 5. Jahrhundert reifte bei den anwesenden Kardinälen die Vermutung zur Gewissheit, und so ward bei einem Konzil in Ephesus beschlossen: Es handelte sich um Jungfernzeugung, das kennt man ja von Pflanzen, da heißt es Parthenogenese.
Herr Hoffmann berichtete über die Änderungen Ähnliches, etwa, dass die Anteile der Heiligen Schrift, die wir heute als Original ansehen, über die Jahrhunderte neu gedeutet und redigiert worden waren.
Ein anderer Aspekt des Umgangs mit der Verunglimpfung menschlicher Sexualität weckte meine Aufmerksamkeit:
Ein Bild ganz in der Nähe, wieder eine schöne junge Frau mit Baby im Arm ist von Filippino Lippi, ob das sein Söhnchen war. Ja, der Fra war sein Vater.
Das nächste Bild Die Anbetung der Könige, zeigt ein Dreikönigsfest in Florenz. Hier versammeln sich herausgeputzte Männer „wie die Pfauen“, fand Herr Hoffmann, meist kamen sie zu Pferden.
Die dritte Bild war von Bellini über die Auferstehung. Ein abgestorbener Baum dominiert das Bild, jedoch sprießt es aus seinen Wurzeln. Die Natur zeigt ihr Frühlingskleid. Dies ist, was die Auferstehung uns zeigen will: es geht wieder los in der Natur, mit den Pflanzen. Ein Feigenbusch (!) hat einige Blätter.
Wichtig ist aber, wohin die Protagonisten blicken: himmelwärts zur makellosen Gestalt des Auferstandenen. Ein schöner Mann von Anfang Dreißig. Eine Schicksalsfrage, für, nach Herrn Hoffmann, alle, die planen, wieder aufzuerstehen: der Körper soll auch dann noch schön anzusehen sein.
Maria und ihre Freundinnen stehen klein im Hintergrund. Mich hat diese Führung zu vielen Erinnerungen gebracht, zu meiner Kindheit als kleines katholisches Mädchen.
Jetzt werden für mich die Motive der Menschen (meist sind es Männer) nachvollziehbar und regen zum Nachdenken an. Wäre mein Religionsunterricht so ansprechend gewesen…
Im nächsten Jahr gehe ich gerne wieder hin. Bisher ist nur Platz für Mitglieder des Vereins, da es die am meisten nachgefragte Veranstaltung des Jahres ist. Mein Mann als Nicht-mitglied hatte Glück, weil jemand abgesagt hatte.
Zum ersten Mal mache ich nun in meinem Blog Werbung…