Wechselbilder

Mein Arbeitszimmer war früher die Garage. Sie war in den 50er Jahren maßgeschneidert für einen VW-Käfer in einen Kellerraum gebaut worden. Die nachfolgenden größeren Autos passten nicht mehr rein. So wurde die Garage zum Schuppen, als die Autos mehr Platz brauchten. Nachdem ich in diesem Raum mein Zimmer bezog, wurde die steile Garagenauffahrt von einem Gartenbauer mit Terrässchen umgestaltet. Schon vor über 15 Jahren hatte ich die graue Betonwand, die die Erdmassen seitlich fernhält, mit Efeu bepflanzt, inzwischen sind ihre zehn Quadratmeter fast zugewachsen. Wir nennen das Gärtchen Belleroche (schöner Felsen), weil es so ein schöner Anblick ist, außerdem heißt ein kleines Dorf im Burgund so, wo wir gern im Urlaub sind.

Als es galt, Belleroche zu bepflanzen, wollte ich es selbst machen, dabei langsam vorgehen und sehen, wieweit ich mit Ablegern aus anderen Gärten komme. Das war im April, und ich sah, dass die Sonneneinstrahlung sehr ungleich verteilt war, insgesamt aber eher schattig, vielleicht gut für Porzellanblumen, Purpurglöckchen, Funkien, Farne, Salomonsiegel und Maiglöckchen aus dem Bestand im eigenen Garten oder von meinen Blumenfreundinnen. Eine Seite, die an der trockenen Hauswand mit viel Sonne, sollte Hungerblumen bekommen, etwas Blaukissen und Mauerpfeffer.

In der Zwischenzeit musste ich sehen, dass ich eigentlich auf diesen knapp 20 Quadratmetern zwei Gärten habe, deren jeweilige Größe mit dem Sonnenstand wechselt: Eine dunkle und feuchte Seite, in die nie Sonne kommt, und eine andere, die immer trocken ist, da der Dachüberstand Regen fernhält, und die im Sommer immer von der Sonne beschienen wird. Die Mitte von Belleroche ist eine Übergangszone: Im Winter tiefster Schatten ganz ohne Sonne und im Hochsommer kräftiger Sonnenschein für mehrere Stunden am Tag. Unter der Sonne backen die Ziegelsteine der Hauswand alles weiter auf. Wahrscheinlich entspricht dieser Bereich am ehesten einem Steingarten. Nun stehen dort einige Terrakottakübel, zum Beispiel im Winter eine Christrose und Erika, oder irgendetwas, was noch keinen Platz im Garten gefunden hat.

Mein Mann meinte, wenn wir für mehrere Tausend Euro ein Gärtchen bauen lassen, dann sollte ich mit den Pflanzen nicht so geizen. Also machte ich das, was ich bei der Gartenautorin Vita Sackville-West immer bewunderte: Ich studierte Kataloge (das Internet ist ein riesiger Katalog!) und bestellte. Es wurden 20 Hungerblümchen (Draba verna), 15 Stachelnüsschen (Aceana), 5 Fingerkraut (Potentilla), 5 Spindelstrauch (Euonymus) und 25 Sternchenmoos. Das Paket kam gut an. Übrig geblieben nach fünf Jahren sind: kein Hungerblümchen, kein Stachelnüsschen, drei Fingerkraut und der eine Euonymus, den ich nach einem Jahr im Schatten in die Übergangszone rettete. Anfangs gab es, wenn es feucht war, noch Sternchenmoos, nun ist es weg.

Bewährt haben sich auf der Sonnenseite dagegen die Ableger von Stauden: Polsterglockenblumen, wahrscheinlich eine Campanula poscharskyana. Auf einer kleinen Terrasse wächst eine Herbst-anemone, die sich sogar selbst ausgesät hat. Dazu kamen einige kleine Hauswurz (Sempervivum), die sich gut vermehren. Seit ich in Lyon den Garten Rose Mir besucht habe, habe ich dazu aus meiner Muschel-, Schnecken- und Steinsammlung einiges dazugelegt, und es sieht lieblich aus, ein Amethyst leuchtet hier bis zum Fenster. Richtig kitschig ist die Skulptur einer kleinen Katze, die eine Maus fängt, wie gut, dass außer uns niemand das sieht.

In der Mitte, in der Übergangszone zum Schatten, machen sich gut Fingerkraut (Potentilla) und davor Porzellanblumen, die im Frühling filigran blühen. Eigentlich hatte ich Purpurglöckchen dafür vorgesehen, aber ihre Blütenstängel schossen so hoch, dass sie nicht mehr zum geplanten niedrigen Steingarten passten. Man muss sich das so vorstellen, dass die Sonne im Winter gar nicht, im Frühling, wenn sie die Knospen treiben, wenig und im Sommer ganztägig darauf scheint. Ich denke, dass sie in der Zeit, in der sie ihre Stängel ausbildeten, zu viel Schatten hatten und sich zur Sonne hin streckten. Die in der Sonne stehenden treiben nur etwa halb so hoch. Und diese bis zu 70 cm hohen Stängel kippten immer um, wenn sie die Blüten zu tragen hatten.

Die großen Terrassen von Belleroche sind halbmondförmig angelegt. In der ursprünglichen Planung wollte ich diese Halbmonde mit einer Sichel von jeweils einer Pflanze, hinten Elfenblume (Epimedium), vorne Purpurglöckchen (Heuchera sanguinea) und dazwischen Chinesisches Bleiwurz (Ceratostigma) und Christrosen (Helleborus) bepflanzen, damit auch in Herbst und Winter etwas blüht. Daraus wurde nichts, weil die Bedingungen zu unterschiedlich waren. Es wurden jeweils zwei Viertelmonde. Die Christrosen sind inzwischen alle in den Schatten gekommen und blühen dort schön und ausdauernd. Mit ihnen blüht, jetzt schon im vierten Herbst, eine Kamelie Sasanqua, die mit ihren weißen Blüten das Dunkel der Adventszeit aufhellt. Eine Kamelie Flame ist an der Stelle, von der aus früher die riesige Berberitze alles weiter verschattete. Im Schatten sind Farne, Maiglöckchen und Salomonsiegel, die sich hier in Bonsaiversion präsentieren, aber das sollen sie ja auch, es passt so. Ein Zierwaldmeister fühlt sich in der Übergangszone wohl, dort sind auch Maiglöckchen, Aaronstab (Arum) und das Mädesüß (Filipendula).

Dieser kleine Garten ist jetzt meine Pflanzenschule. Durch die Terrassen kann ich im Stehen pflanzen und hegen. Ich probiere vieles aus, und sehe täglich von meinem Schreibtisch aus, wie es den Pflanzen geht. Es blüht immer etwas, am eindrucksvollsten ist die Zeit der Kamelien. Der Senkgarten bietet Schutz, und so kommen die Pflanzen etwas früher als in den anderen Bereichen. Manches gedeiht so gut, dass es wieder in härtere Zonen entlassen wird. Inzwischen nenne ich Belleroche mein begehbares Gemälde und erfreue mich täglich an ihm, sommers wie winters.

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