Bäume in einem kleinen Stadtgarten

Bäume in einem kleinen Stadtgarten? Unser Garten ist mit seinen 15 mal 25 Metern sehr klein und liegt mitten in der Stadt, zum Glück angrenzend an andere Gärten, die alle zusammen wie ein größerer Garten zwischen den Häusern erscheinen. Große Bäume gibt es nicht, nur in der Ferne, so dass die meisten Gartenorte Sonne bekommen. Außer Obstbäumen werden keine Bäume gepflanzt, und ich denke, die vielen Birken und auch der Ahorn und die Kastanie bei den Nachbarn haben sich irgendwann einmal selbst gesät. Neue Bäume dürfen nicht groß werden, wir alle wollen keinen Schatten. Eigentlich müsste das Kapitel heißen: Keine hohen Bäume in einem kleinen Stadtgarten!

Vor einigen Jahren hatte sich bei uns eine Birke neben einem alten Wasserhahn ausgesät. Der Wasserhahn war defekt, und so bekam sie über Monate, vielleicht Jahre, immer etwas Wasser in das Wurzelwerk. Sie war in drei Jahren so groß, dass man uns warnte, wir dürften sie nicht mehr fällen. Wir fällten die Birke trotzdem, und ich bin froh, dass sie ihren Schatten nicht mehr auf unser Rosenbeet werfen kann. Mir gefiel die kleine Birke sehr, denn man konnte im Frühling schöne Zweige abschneiden und in die Vase stellen, aber einen richtigen Baum wollte ich nie. Inzwischen hat sich wieder eine im Vorgarten ausgesät, direkt an der Straße. Ich hoffe, sie überwintert, und dann nehme ich sie im nächsten Frühjahr als Maibaum, groß werden darf sie auf keinen Fall.

Zweimal hatten sich Walnussbäume angefunden. Wir glauben, dass sich Eichhörnchen eine Nuss für den Winter eingegraben hatten und sie dann vergaßen. Den zweiten Baum wollte ich behalten, drei Jahre lang schnitt ich immer die Zweige mit den großen Blättern ab, die meine Rosen verschatteten. Der Hauptteil des Baums wuchs solange in die andere Richtung, bis der Nachbar sich meldete und anbot, er ließe ihn fällen, obwohl er auf unserer Seite stand. Er hatte erfahren, dass ausgewachsene Walnussbäume einen sehr großen Umfang haben und unter ihnen auf 30 qm absoluter Schatten herrscht. Ich war erleichtert, als der Baum verschwand. Der Nachbar hatte außerdem recherchiert, dass die von selbst gekeimten Walnüssen stammenden Bäume oft kleine, harte Nüsse tragen, die ungenießbar wären.

Und was für Nüsse es werden, weiß man erst nach Jahren, wenn der Baum endlich trägt. Was für eine Enttäuschung das sein muss! Vorher hatten wir schon einmal einen solchen Baum, ihn aber rasch verschenkt, weil der Platz nicht reichte. Die dankbaren Empfänger schenkten uns eine Flasche guten Rotweins, der längst ausgetrunken ist. Ich wünsche ihnen nun auf diesem Wege, dass sie anständige Nüsse ernten können.
Manchmal finden sich im Garten auch kleine Eichenbäume (von Eichhörnchen? Es gibt keine Eiche in der Nähe), immer finden sich Ahornsetzlinge. Etwa 80 Stück im Jahr zupfe ich heraus. An zwei Stellen hatten wir zu lange gewartet und mussten das Wurzelwerk mühevoll ausgraben.

In der Nachbarschaft gibt es viele große Nadelbäume. Offenbar war es schick vor neunzig Jahren, als die Gärten angelegt wurden, Tannen oder Lärchen anzupflanzen, die inzwischen sehr groß sind. Keine Kiefern, wie sie in der Umgebung Berlins üblich wären. Zum Glück hat keiner der Nachbarn die Angewohnheit, seine Weihnachtsbäume auszupflanzen. Mir scheinen Tannen unpassend für unsere Gegend, und ich freue mich, dass sie nach und nach verschwinden. Zum Teil müssen die Eigentümer heftig um die Fällgenehmigung kämpfen.

Erst nach der Anfrage des Nachbarn, ob die Naturschutzbehörde für Schäden hafte, die die große, aber nicht mehr sichere, Douglastanne vielleicht einmal verursacht, bekam er die Genehmigung. Der Baum hatte das Haus mit Dach überragt und bei Wind große Bögen geschwungen, dabei immer an der Regenrinne geschabt. Er wäre bei starkem Nordwestwind recht unglücklich auf zwei Häuser gefallen.

Manchmal sind im Kampf gegen hohe Bäume Kreativität und Mut gefragt: Ein anderer Nachbar, dessen Garten aufgrund einer dichten Kette von überhaushohen Nadelbäumen im tiefsten Schatten lag, hatte versucht, den Nachbarn dazu zu bringen, diese etwas zu lichten. Der Nachbar bedauerte, er wäre nur ein Mieter und der Eigentümer „irgendwo in Westdeutschland“. Das bedeutete damals, dass er schwer erreichbar war. Als der Mieter auszog, teilte er dem Schattennachbarn den Termin mit. Mit generalstabmäßiger Planung wurden zwei hohe Nadelträger gefällt, bevor der neue Mieter einzog. So machte er aus dem dichten Schatten in seinem Garten immerhin einen lichten.

Als vor langer, langer Zeit ein großer Orkan über der Stadt wütete und viele Bäume beschädigte, gab es gleich am nächsten Tag überall ein munteres Bäumefällen: Die Gelegenheit war günstig, auch hie und da einen unbeschädigten Schattenwerfer loszuwerden.

Gabriella Pape schreibt in ihrem Buch Meine Philosophie lebendiger Gärten (Insel) ein starkes Plädoyer für schöne alte Bäume. Vor allem sie gäben einem Anwesen eine Bedeutung, sie „ankern“ über Generationen hinaus. An ein „Umhauen“ sollte man nicht denken, einfach in Demut damit leben, selbst wenn der große Baum schon den zweiten Stock verschattet. Mich erinnert das an einen Besuch, den wir vor etwa dreißig Jahren bei Bekannten im Bayerischen Wald machten. Es war in der Zeit, in der das Waldsterben bevorstehen sollte.

Die Bekannten organisierten geführte Touren zum Thema „saurer Regen“, wo mit Lackmuspapier die Säure des Regens nachgewiesen wurde. Mir fiel auf, dass ihr hübsches Fachwerkhäuschen, obwohl mitten im Wald gelegen, keine Schattenwerfer in der Nähe hatte. Auf meine Frage, wie sich das wohl erklären ließe, verdrehte unsere Waldautorität die Augen und sagte: Salzsäure!

Soweit ist es in meinem kleinen Stadtgarten noch nicht gekommen. Ehrenwort! Große Bäume, und da gebe ich Frau Pape recht, gehören auf die Straße. Da sollte auch mehr getan werden, als zu unserer Zeit, wo der öffentliche Raum vernachlässigt wird. In der Nachbarschaft gibt es eine Initiative, Anwohner dazu zu bringen für ihre Straßenbäume zu spenden. Als gute Staatsbürger machen wir natürlich mit.

Nicht nachvollziehbar für mich ist die bei Frau Pape getroffene Unterscheidung zwischen zu achtenden Bäumen, wie der Eiche, die über dreißig Generationen lebt, und dem Wildwuchs der Pionierpflanzen wie etwa der Birken oder Ahorne. Vielleicht hängt ihre Verehrung für schöne Bäume mit ihrer ersten Berufsausbildung als Baumschülerin zusammen? Für mich bleibt Schatten Schatten und meine Sehnsucht nach Vielfalt im Garten wird nicht kleiner, wenn der Schattenwerfer eine Eiche ist. Obwohl ich Eichen schätze, da, wo sie hinpassen.

Obstbäume bleiben kleiner und erfreuen nicht nur mit ihren Früchten, sondern im Vorfrühling auch mit den Zweigen. Im Februar werden die Kirschen geschnitten. Der eine Kirschbaum, mit den gelben Früchten, die keiner mag, wird als Zweiglieferant gehalten, für den Osterstrauß, und im Sommer wegen seines kräftigen Stammes, der die Hängematte tragen hilft.
Richtig groß werden dürfen sie alle nicht. Nicht nur, weil sie dann besser tragen, sondern weil in einem kleinen Stadtgarten einfach kein Platz ist für schöne große Bäume.

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