Das Ausgangsbeet mit der Farbe Rot in unserem Garten war ein gut 20 Quadratmeter großes Rosenbeet. Es schien langweilig, auch ein Mischen mit anderen Rottönen machte es nicht besser. Die erste Erfahrung war, um es gleich zu sagen, dass Rot am besten durch Weiß oder Gelb aufgeheitert und verstärkt werden kann.
Bei uns wirken vor allem Purpurtöne. Am schönsten ist die schon beschriebene Baumpäonie, sie ist ein Solitär, wenn hinter ihr der Waldgeissbart (Aruncus) blüht. Diese übermannshohe Staude hat große hellgrüne Blätter und spiräenartige Blüten in Elfenbein. Manchmal blüht dann noch im Hintergrund die gelbe Kerrie des Nachbarn. Ein bildschöner Ausschnitt entsteht so im Mai.
Bei Neukäufen versuche ich für andere Beete ganz besondere Rottöne anzuschaffen: Das waren das Purpurrot des Rhododendron, das Magentarot der Echinaceen und dann ein fast bräunliches Rot beim Schlitzahorn (Acer palmatum). Ähnlich geht es dann weiter: Im mittleren Beet sind die Rottöne gewollt kalt, ja, sie sollen dekadent wirken: Die Rosen werden kombiniert mit der magentafarbenen Echinacea, einer Clematis ‚Ville de Lyon‘ und entsprechenden Phloxen. Ein Phlox hat ein strahlendes Brombeerrot, während die Rosen kirschrot und dunkelrosa blühen. Manchmal kommen auch die Akeleien und später die Balsaminen im richtigen Ton, aber da ich sie nie blühend kaufe, sondern selbst aussäe, gibt es bei ihren Blüten immer Überraschungen.
In der Entfernung, im hinteren Teil des Gartens, werden Rottöne weniger wahrgenommen. Es ist wie bei den blauen Blumen. Gerade die dunkelroten Farben wirken von Nahem besser. Bei den Strauchrosen, den gelben (Lucia) und orangefarbenen (Westerland), stehen rote Phloxe, Dahlien, Astern, die mir liebste heißt Alma Pötschke, und Schafgarben. Es gibt also immer etwas Rotes, was manchmal durch Gelbes hervorgehoben wird. Im Frühling sind dort rote und gelbe Tulpen mit Narzissen, eine Trollblume, und dann lasse ich dahinten, wie schon gesagt, Löwenzahn zu.
Nicht ganz fertig ist die Ecke mit dem Schlitzahorn. Da wollte ich weitere Farben, die ähnlich sind, also kirschrote oder dunkle, ins Bräunliche gehende Farben, oder Zinnoberrot als Kontrast. Die zinnoberrote Montbretie Luzifer gefiel mir. Aber der Reihe nach: Im Vorfrühling gibt es eine dunkelrote, fast purpurfarbene Lenzrose (Helleborus orientalis), deren Blütenfarbe den zu dieser Zeit abwesenden Blättern des Ahorns ähnelt. Für die Zeit danach wurden gepflanzt: die Lavendelheide (Pieris japonica) mit ihren roten Blättern, die Purpurglöckchen (Heuchera purpurea) mit kirschroten Blüten, mit der gleichen Farbe wie der Phlox. Im Herbst sollten die ins Kupferrote gehenden Blätter der Elfenblume das bräunliche Rot weiterführen. Nicht so ganz passte die fast rotbraune Heuchera, die zwar ein ähnlich braunes Rot wie der Schlitzahorn hat, deren Blätterunterseite aber fast lila ist.
Dann gibt es noch den Günsel mit seinen brombeerfarbigen glänzenden Blättern. Seine Blüten zeigen über den ganzen Monat Mai ein kräftiges mittelblau, das so eigentlich nicht für diese Ecke vorgesehen war, aber es ist die Zeit, wo auch in den anderen Teilen des Gartens vieles in Blauschattierungen erblüht: von den Clematis eine kirschrote Rebecca und eine Rüütel, und eine Westernplatte und bei den Rosen eine Nostalgie und eine Barcarole. Die erste hat einen weißen Kern mit hellroten Rändern, die letztere ein sehr dunkles, samtiges Rot, welches gut zu den Blättern des Ahorns passt.
Glücklich wurde ich mit dieser Ecke nicht, denn die Töne veränderten sich während der Blüte. Während die roten Rosen in der Sonne ihren Farbton besser behielten, verblasste der Phlox schnell zu einem Rosa. Er wurde, vor allem im Verblühen, eher pastellig, und das biss sich mit dem Rest, vor allem mit den Blüten der Montbretie Lucifer in einem feurigen Zinnoberrot. Als die vierte Montbretie den Winter nicht überlebte, war ich fast erleichtert, denn nun fielen diese Abweichungen vom Konzept weg. Damit hatten sich die jahrelangen Mühen um die Kontrastierung mit Zinnoberrotem erledigt.
Inzwischen ergänze ich hier auch eher mit weißen Farben. Diese Ecke wird immer ansehnlicher, vor allem Anfang Juli: die Purpurglöckchen sind noch da, die Farben der weißen und roten Rosen werden sowohl von der Rose Nostalgie aufgenommen als auch von der knospenden roten Hortensie, wenigstens eine der Clematis zeigt sich dann. Das Weiß kommt von den Rosen Memoire und Margaret Merril und von der weißen Sterndolde (Astrantia major). Aber, wenn man mir zum Geburtstag im August Montbretien schenkt, dann kommen sie wieder vor den Schlitzahorn.
Rosa lasse ich im Garten punktuell zu. In ihrem autobiographisch aufgebauten Gartenbuch Meine Philosophie lebender Gärten (Insel) schreibt Gabriella Pape, dass es früher, in ihrer Jugend, in den Gärten immer viel zu viel Rosa gegeben hätte. Wahrscheinlich geht es mir ähnlich, obwohl ich mich an die Farben im Garten meiner Eltern nicht gut erinnern kann. Aber zu viel Rosa kann erdrücken.
Ich hatte bis vor kurzem eine gut drei Meter lange rosa Phloxwand an der Stelle, wo im Frühling die rosa Tulpen und die Pfingstrosen sind. Irgendwann wurde mir das zu viel, und ich habe die Wand „aufgebrochen“ und dazwischen etwas Weiß gesetzt und Phloxe mit verschiedenen Rottönen. Selbst von den rosa Rosen habe ich nur wenige: Im hinteren Garten sind es eine Cinderella, Octavia Hill, Bonica 82, Leonie Lambert und die zwei unbekannten Floribunden, die noch im übernommenen Rosenbeet stehen.
Aber es gibt rosa Höhepunkte im Frühling: die drei Clematis Nelly Moser, der rosa Mohn, und Piilu, eine gefüllte Clematis im Vorgarten. Sie vermittelt einen richtigen Rosarausch. Dort steht auch die rosa Rose Mirato, die bis in den November hinein blüht.
Ganz hinten im Garten, neben dem Tor zum Gang, ist ein Farbenwechsel programmiert. Im frühen Frühling gelbe Tulpen, weiter im Frühling eine gewaltige Clematis montana rubens, die weiß-rosa blüht. Sie bildet den Hintergrund für eine Magnolia nigra (liliiflora Susan), die sie teilweise umrankt, danach wird es wieder gelb mit Nachtkerzen, Lerchensporn und Goldruten lasse ich auch mal zu.
Aber Rot gibt es den ganzen Sommer hindurch. Das schon beschriebene Rosenbeet blüht, weiß umrandet, bis in den Herbst. Im Sommer stehen daneben dunkelrote Stockrosen, und dann kommt im Herbst das kräftige Rot der Fetthenne (Sedum), das im Verblühen etwas bräunlich wird und damit immer besser zum Schlitzahorn passt. Einen letzten Höhepunkt gibt es immer im Herbst zu sehen: Zwei der Hauswände färben sich leuchtend rot. So verabschiedet sich die Farbe Rot für die nächsten sechs Monate mit dem Rot des wilden Weins Parthenocissus. Neu ist eine rote Zaubernuss (Hamamelis Diane), sie wird im späten Winter den roten Reigen wieder aufnehmen, dann dauert es wieder eine Weile, bis die roten Tulpen blühen.
In der langen Winterzeit können wir in Goethes Farbenlehre nachlesen:
„Rot – Die Wirkung dieser Farbe ist so einzig wie ihre Natur. Sie gibt einen Eindruck sowohl von Ernst und Würde, als von Huld und Anmut. Jenes leistet sie in ihrem dunklen verdichteten, dieses in ihrem hellen verdünnten Zustande. Und so kann sich die Würde des Alters und die Liebenswürdigkeit der Jugend in Eine Farbe kleiden.“ Johann Wolfgang von Goethe (Rot Farbe der Liebe)