Die großen Strukturbildner im Garten sind natürlich die Bäume, zwei Kirschen, eine Pflaume, eine Birne und vier Apfelbäume, alle wurden schon immer möglichst randständig gepflanzt, naja, die Kirschen gehen schon auf die Mitte zu. Der Garten ist etwa 15 x 25 Meter klein. Dann kommen als Sträucher zwei größere Buddleja alternifolia, ein Flieder, zwei Hibiski und drei Buddlejas. Sie alle sind entlang der Gartengrenzen aufgereiht, nur die mittelgroßen, wie Strauchrosen, Hochstammrosen und Hortensien, dürfen zur Mitte aufrücken. Mit ihnen und einigen Beerensträuchern gibt es an allen Ecken und Seiten auffallende Strukturen.
Von hinten grüßt ein Gartentor klassisch mit Natursteinsäulen und Holzbogen, in dem Winterjasmin, rote Rosen, rosa und weiße Waldreben (Clematis) nacheinander blühen. Davor ist eine Magnolie liliiflora Susan gepflanzt, die schlank und aufrecht wachsend das Tor bewacht. Vor dem großen Regen waren die großen Horste der Flammenblume (Phlox) den Sträuchern ebenbürtig, danach lagen sie darnieder. Ich ging und kaufte viele Stützvorrichtungen, auch für die hohen Rudbeckien, die Himbeeren und Sonnenblumen und die Fetthenne. Im Winter kann man sich nicht vorstellen, was alles während der Blühzeiten zu stützen ist, ein gutes Dutzend dieser metallenen Geräte, in Stahl oder auch in rostigem Eisen, steht dann im Schuppen. Manche Pflanzen stehen dauerhaft hoch, die Hochstammrosen und -beeren, sie werden durch Stahlstäbe gestützt.
Eleganter sind natürliche Strukturbildner, manche Pflanzen eignen sich besonders gut. Das Weidenkätzchen ist inzwischen knapp mannshoch und hat einen Durchmesser von über einem Meter. Im Frühjahr wird immer das herunterhängende Blattwerk abgeschnitten. So soll es bleiben, es steht schön seitlich in der Mitte des Gartens und hat fast das ganze Jahr hindurch herunterhängende Zweige. Allerdings, wenn unser Weidenkätzchen im Vorfrühling blüht, könnten es ein paar mehr Kätzchen sein. Düngen hilft bisher nicht.
Ihm schräg gegenüber steht ein rotbrauner japanischer Schlitzahorn (Acer palmatum), ein Meter hoch, der eher in die Breite denn in die Höhe wächst, zurückgestutzt hat er nun einen Durchmesser von zwei Metern. Er blüht und trägt Früchte, beides in hellrot, die allerdings in dem dichten feingeschlitzten Laub kaum zu sehen sind. Selbst im Winter, ohne die Blätter, stellt er eine erkennbare Struktur dar.
Und dann gibt es den Buchs (Buxus). Gekauft vor über zwanzig Jahren als kleines Töpfchen, erst rund gestutzt, aber seit drei Jahren als Quader, da seine Kugel drohte, den Weg zur Terrasse zu versperren. Unten misst er über einen Meter mal einen Meter und in 90 cm Höhe vielleicht 75×75 cm. Das Schneiden im Juni ist eine anstrengende Fleißarbeit, die wir mit unterschiedlichen Scheren vollbringen. Die meiste Zeit des Jahres sind Kätzchen, Schlitzahorn und Buchsbaum einfach da und bilden eben Struktur.
Mehr Leben gibt es bei den Blühsträuchern zu sehen: Der eine Rhododendron breitet sich als große wintergrüne Kugel aus, mit einem Radius von bald 75 cm, manchmal schnippele ich ein bisschen an ihm herum, obwohl man es nicht soll, denn richtig wachsen darf er nicht mehr. Im zeitigen Frühjahr blüht er erst rosa, dann weiß. Da sind mir die im Wuchs etwas missratenen Gewächse bald lieber: Es handelt sich um eine Azalee, einen anderen Rhododendron und eine Rispenhortensie: Sie wachsen nicht kugelartig, sondern etwas ausufernd. So kann ich in ihren Baumscheiben einiges unterbringen, was sie dann mit ihren verholzten Ästen stützen. Die größte von ihnen ist die Rispenhortensie, bald zwei Meter hoch. Sie trägt im Frühjahr eine Pfingstrose und im Sommer eine Himbeere und viel Phlox. Phloxe sind auch im rot blühenden Rhododendron untergebracht, sie blühen im Sommer blau, wenn sein Rot vom Frühling schon vergessen ist, im Herbst stützt er eine große blaue Aster. Die Azalee hilft dem Gelbferberich (Lysimachia punctata) in die Höhe. Für die vielen Hortensien, die zu Strukturbildnern herangewachsen sind, gibt es ein eigenes Kapitel. Auch für die Hortensien gilt leider: Größer werden sollen sie nun nicht mehr, und ich kürze hier und da etwas. Durch diesen Wechsel an Formen und Farben entstehen Räume mit schönen Spannungen.
Kleine Höhepunkte stellt die Kunst im Garten dar: eine Katze, die Sohn Max mit 15 Jahren aus rotem Sandstein gemeißelt hat, in einem Bildhauerferiencamp. Dabei fiel aus Steinresten noch ein kleines Kaninchen an, welches er irgendwann einmal etwas ausbessern möchte: Das Kinn stimmt nicht so ganz. Aber das Kaninchen steht gut sichtbar an einer Beetecke und hilft den Wasserschlauch von den Pflanzen fernzuhalten.
Eine Freundin liebäugelt mit buddhistischen Lebensweisheiten. Sie hat einen Buddha im Garten stehen. Dazu eine Leine mit Sinnsprüchen auf kleinen Tüchern, die ihr ihre Kollegen zu einem runden Geburtstag aufgeschrieben haben. Und manchmal meditiert sie im Garten. In einem solchen gewachsenen Zusammenhang gefallen mir Buddhas. Sonst kann ich ihnen wenig abgewinnen und werde an einen Besuch in einem Gartencenter in Thailand erinnert, mit riesigem Buddhalager, wo sie in jedweder Größe, Farbe und Körperhaltung zu kaufen waren, alle mit demselben abwesenden Gesichtsausdruck.
Wahrscheinlich meditiert er und guckt deshalb nach innen, darum geht es ja bei der Meditation. Warum soll ich ihn in meinem Garten aufstellen, wenn er sich darauf konzentriert, mein kleines Paradies nicht zu sehen? Da lob ich mir Löwen, Engel oder antike Statuen, und hätte dann doch lieber verschmitzte Gartenzwerge, die es sichtbar genießen, in meinem Garten zu sein.
Eine Skulptur haben wir recht teuer gekauft, als Kunst am Bau, nachdem wir eine Erbschaft gemacht hatten. Sie stellt eine Säule dar, aus einem Kalksteinstück gefertigt, das so aussieht, als lägen kleine Steinplatten übereinander. Sie passt gut vor das Weidenkätzchen. Es macht Spaß, die Fragen nach diesen Platten zu beantworten. Man sieht der Skulptur nicht auf Anhieb an, dass sie in einem Stück kunstvoll gehauen ist. Noch mehr wird gestaunt, wenn wir erzählen, dass der Künstler inzwischen mit Ähnlichem noch mehr in Euro verdient, als wir ihm damals in DM gezahlt haben. Trotzdem übertreiben wir es nicht mit der Ehrfurcht: Auf ihr, in gut einem Meter Höhe, liegt immer griffbereit die rote Küchenschere, mit der ich die Nacktschnecken zerschneide.