Rezension: Von Diven, Drängern und Fleissigen Lieschen – Feders Charakterkunde der Pflanzen von Jürgen Feder

Von Diven, Drängern und Fleissigen Lieschen

Um es gleich zu sagen: Mit dem Buch Von Diven, Drängern und Fleissigen Lieschen konnte ich nicht viel anfangen. Deswegen frage ich, wen es wohl interessieren könnte. Es werden weit über hundert Pflanzen vorgestellt, mit Fotos, und es wird über ihr Vorkommen in der Natur berichtet. Wer also die in Deutschland wachsende Flora kennenlernen möchte lernt dazu, es ist kenntnisreich geschrieben. Herr Feder ist viel herumgekommen und hat ein geschultes Auge.

Die wenigsten Pflanzen kannte ich; aber, und das ist das Problem, ich will sie auch gar nicht kennenlernen, weil sie für meinen Garten nicht geeignet sind. Mir sind die meisten nicht schön genug für meinen Ziergarten. Eher störend fand ich die Vorgehensweise der Charakterkunde. Es werden fünfundzwanzig menschliche Typen erdacht, in die die Pflanzen mit einer nicht nachvollziehbaren Willkür zugeordnet werden. Da sind Barhocker, Zwangsneurotiker, Giftzähne, Draufgänger, Techniker und Spießer.

Nehmen wir dieses Beispiel, denn hier wird er richtig langatmig und beschreibt die Klischees der Spießer von vorgestern, gestern und heute, im In- und Ausland, um dann abzuschließen: „Spießertum im Pflanzenreich ist eine rare Angelegenheit, was letztlich auch kein Wunder ist. Pflanzen sind einfach nicht wie Edmund Stoiber, Olaf Scholz oder Volker Kauder, sie sind nicht engstirnig, gestalt- und gehaltlos, nicht trivial und unbeweglich, schon gar nicht steif und kleinkariert.“

Nun bin ich von keinem dieser alten weißen Männer eine Anhängerin, aber was verschafft ihnen die Erwähnung in einem Buch über Pflanzen? Es folgen dann der Sumpf-Bärlapp, die Ackersteinsame, die Stipa und der Echte Faulbaum. Steinsame und Stipa mag ich und hab sie gerne in meinem Garten. Bin ich nun auch spießig? Sie sind nicht „gestalt- und gehaltlos“, aber unbeweglich, wie die meisten Pflanzen eben sind. Ich frage mich in welchen Runden über solche Vorstellungen gelacht werden kann. Und kam nur auf Männerstammtische, vielleicht weil ich da selten dabei bin.

Die wenigsten der Charaktere sind positiv besetzt, manche allenfalls neutral. Erst störte mich sein missgünstiges Menschenbild, bis mir klar wurde, dass er ja auch die offensichtlich geschätzten Pflanzen mit seiner Vulgärpsychologie abwertet. Und das bei einem Pflanzenretter (so heißt ein anderes Buch)!

Um versöhnlich zu schließen: anders als für solche Herrenrunden üblich, schreibt er nicht abfällig über Frauen. Und ich hatte auch einen Erkenntniszuwachs! Die von mir sehr geschätzte Türkenbundlilie (L. martagon) wird unter „Typ Bombastic“ erwähnt, das geht in Ordnung. Und nun weiß ich, was der Name bedeutet: Martagon hieß der im 15. Jahrhundert im Osmanischen Reich neu eingeführte Turban.

Mehr Informationen:

Autor: Jürgen Feder
Titel: Von Diven, Dränglern und fleißigen Lieschen – Feders Charakterkunde der Pflanzen
Erschienen: : 16.04.2019
Verlag: Rowohlt Verlag
Form: 288 Seiten
ISBN: 978-3499634000
Preis: 12.00 €
Leseprobe

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.