Jedes Jahr kaufe ich einen oder zwei Rittersporne (Delphinum), weil die Schnecken die Stauden aufgefressen haben, und meist auch eine Echinacea und eine Rudbeckia triloba. Aber es ist selten, dass ich eine bestimmte Pflanze brauche, sie kaufe und nur mit ihr nach Hause komme. Eine oder zwei mehr dürfen es meist sein. Es ist eher so, dass ein Besuch in der Gärtnerei einen Wellnesscharakter hat, dass ich mir ein genussvolles Shoppen von Schönem erlaube, es genieße und mich noch nicht einmal schäme. Früher habe ich Pflanzen aus einem Fürsorgetrieb heraus gekauft: Wenn am Wochenende im Supermarkt der Hibiskus so aussah, dass er unversorgt bis zum Montagmorgen nicht überlebt hätte, nahm ich ihn mit. Ich rettete gerne Pflanzen vor einem solchen Schicksal. Das war vor der Zeit mit eigenen Kindern.
Inzwischen kaufe ich, was mir gefällt. Es gibt immer wieder etwas, was ich ausprobieren möchte. Manchmal zieht mich eine Pflanze an wie bei Liebe auf den ersten Blick. Erst einmal gehe ich dann weiter, weil ich weiß, was ich heute suche. Aber dann zieht es mich zurück und ich gucke sie genauer an und überlege erst einmal, wofür ich sie brauchen könnte. Wer hat denn bald Geburtstag oder uns einfach so eingeladen? Ich betrachte sie von allen Seiten, hebe sie dafür aus der Reihe der anderen. Dann kann ich einfach nicht widerstehen, und zu Hause kommt sie erstmal im Kübel auf die Terrasse, bis sich ein Anlass oder ein Plätzchen bei mir findet. Was bisher immer gelang.
Um einen möglichen Kaufrausch zu lenken, habe ich eine Regel geschaffen: Was fünfmal eingegangen ist kommt nicht mehr in den Einkaufswagen. Dann ist Trauerarbeit angesagt, darüber, dass diese Pflanzen nicht bei uns blühen möchten. Dazu zählen: Adonisröschen, Enzian, Edelweiß, Götterblume, Alpenveilchen. Bei den von mir so geliebten Kamelien hat sich die fünfte gehalten. Bei dieser zauberhaften Schönheit hätte ich es wohl weiter versucht.
Bevor ich kaufen gehe, gucke ich mich erst einmal in der Nachbarschaft um. Was gedeiht, was gefällt mir, was will ich gar nicht? Eigentlich immer gedeihen Ableger aus Nachbargärten oder vergleichbar gelegenen Gärten. Was da so gut wächst, dass Ableger abgegeben werden können, hat auch bei mir gute Chancen. Ich kann den Standort studieren und einen entsprechenden bei mir finden. Bei uns sind das Sedum, Phloxe, Astern, Glockenblumen, Aaronstab, sogar Eisenhut und Purpurglöckchen, Porzellanblumen, Mohn, Anemonen, Salomonsiegel und andere. Die Fetthenne, wahlweise in weiss oder rot, gebe ich inzwischen selbst weiter. Als mein Garten noch nicht so voll war, habe ich auch Platzhalter gepflanzt, die jetzt durch Besseres ersetzt werden. So fallen die kaukasischen Veilchen (Brunnera) an, die mittelblauen Astern und die Chrysanthemen, die ursprünglich aus einem abgeblühten Topf stammten. Und ein wunderschöner großer rosa Phlox ist auch schon verschenkt worden. Die Erdbeeren, die ich als Bodendecker vermehrte, lasse ich nur noch als Rasenrandbepflanzung zu. Da sehen sie hübsch aus, und wenn sie überhaupt Erdbeeren tragen, dann eher an einer Stelle, wo sie mehr Sonne abbekommen. Zum gelegentlichen Naschen reicht es.
Einige Pflanzen biete ich mit Erfolg zum Tausch an. Etwa die Elfenblume (Epimedium). Das Blattwerk wird im Winter rot-braun. Wenn im Frühling die zierlichen Blüten kommen, sind sie unter diesen Blättern kaum zu sehen. Damit diese Elfchen sichtbar werden, müssen die alten Blätter abgeschnitten werden. Bald kommen neue Blätter, die im Sommer grün sind und zum Herbst hin ins Rotbraune wechseln. Übernommen haben wir sie in meinem Garten in rot blühend. Dann holte ich mir im Tausch vom Vorgarten des Restaurants in der Nachbarschaft eine schöne gelbblühende Elfenblume. Sie wird höher und ist wüchsiger. Ihre gelben Blüten machen sehr viel her im Frühjahr, da sie deutlich oberhalb des Blattwerks stehen, also gar nicht mehr elfenhaft sind. Sie gedeihen so stark, dass ich sie schon eintauschen konnte, zum Beispiel gegen Alchemilla mollis, den Frauenmantel.
Ableger gewinne ich aus Winterjasmin und den Lavendelpflanzen. Die ersteren mit Bodenabsenkern, sie bilden selbst Wurzeln, wenn sie auf der Erde aufliegen, und beim Lavendel werden die Triebe einfach in die Erde eingepflanzt. Die Erfolge sind nicht in jedem Jahr gleich gut. Selbst ausgesät haben sich der winterharte Hibiskus und die Buddleja, der Schmetterlingsflieder, und die Christrosen. Mit den ersten habe ich schon mannshohe Erfolge, die selbstausgesäten Christrosen sind leider bisher noch nie zum Blühen gekommen. Aber der Schmetterlingsflieder ist inzwischen Star im Garten und größer als die Mutterpflanze.
Von den Einjährigen säe ich im frühen Frühling Balsaminen und Sonnenblumen im Topf aus. Der Samen stammt von eigenen Pflanzen. Für die Sonnenblumen nehme ich Vogelfutter, das vom Winter übrig ist, und ergänze es durch gekauften Samen mit farbigen und mehrtriebigen Sonnenblumen. Die Sonnenblumen keimen sehr rasch, die Balsaminen brauchen mehrere Wochen dazu, dann werden sie in Töpfe pikiert und vor den Eisheiligen an die kühlen Nächte gewöhnt, bei Frostgefahr aber wieder ins Haus geholt. Angeregt durch die Enkelkinder erweiterten wir das Sortiment: Schmuckkörbchen (Cosmeen), Nigella (franz. Venushaar), Zinnien und Trichterwinden (Ipomoea) machen sich gut.
Ich fange jetzt an, Kräuter zu säen, aber nur auf der Terrasse, wegen der Schnecken im Garten. Im Versuchsstadium befindet sich Basilikum. Die Erträge sind bescheiden, und wenn sie bei mir geschnitten werden können, werden sie als Topf für unter 2 Euro im Supermarkt angeboten, so wie auch Schnittlauch, Dill und Petersilie. Seit zwei Jahren gibt es bei mir Rucola und Pflücksalat. Das frische Grünzeug aus dem Garten gelangt nicht immer in die Küche: Die Enkelkinder knabbern es zwischen den Mahlzeiten wie Süßigkeiten, besonders den Dill. Was aber nicht heißt, dass sie Süßes deswegen weniger mögen.
Einige Zweijährige säe ich aus gesammelten Samen und ziehe sie im Topf vor: Stockrosen oder Bartnelken, allerdings weiß man nie, ob die gezogenen Pflanzen wirklich die gewünschten Farben haben. Akeleien- und Fingerhutsamen werden einfach in eine geeignete Ecke gepuschelt. Meistens kommt was, Farbe unvorhersehbar. Da sie erst im zweiten Jahr blühen, bleibt es lange spannend und meine Farbplanungen werden immer wieder durchkreuzt, aber es gefällt dann doch irgendwie.
In alten Gartenbüchern wird oft von Sämlingen berichtet, wie man sie ergattert, manchmal sogar von Spitzengärtnern im Rahmen eines Briefwechsels mit der Post zugeschickt bekommt, sie dann in Töpfen vorzieht und mit Stolz zum Blühen bringt. Bisher habe ich mit solchen Samen keine Erfolge vorzuweisen. Nur einmal hat mir mein Mann für €1,50 bei Ebay ein Tütchen mit „lila Stockrosensamen“ ersteigert. Ich war skeptisch, weil man bei Samen nie sicher sein kann, welche Farben sie haben, aber sie waren in dem dunklen Brombeerrot, welches ich immer suchte und aus den von unterwegs mitgenommenen Samen nie erreicht hatte.
Gerne gehe ich zu den Staudenmärkten, die zum Frühjahr und zum Herbst im Botanischen Garten stattfinden. Vor allem genieße ich die vielen gartenbegeisterten Menschen und ihre sachkundigen Bemerkungen. Ich staune, wie viel Pflanzenwissen diese Großstädter haben. Kaufen tue ich dort kaum noch, weil die Pflanzen nicht besser oder gar billiger sind, als bei anderen Anbietern. Ab und zu leiste ich mir etwas Besonderes, vielleicht ein weiteres Trillium, oder einen gelben Fingerhut, im letzten Jahr wagte ich mich an Leberblümchen heran.
Die königliche Gartenakademie ist ein anspruchsvoller Gartenbetrieb, sie stillt die Sehnsucht nach einer gehobenen Lebensart und schmeichelt der Vorstellung, irgendwann zum Gartenadel dazu zu gehören. Falls es nur beim Gucken bleiben sollte, kann man wenigstens im Café Lenné einkehren. Die Betreiberinnen bieten gärtnerisch viel und haben seltene einheimische Stauden, die ich früher nur als Ableger bekam. Zum Beispiel die bereits erwähnte und als Tauschobjekt genutzte Elfenblume. Oder eine Skabiose, die ich noch nirgendwo sonst gesehen hatte. Eine schöne große Katzenminze (Nepeta) kommt von dort.
Seit einiger Zeit sind in der Königlichen Gartenakademie die Pflanzen nach Farben sortiert. Nach Farbkombinationen zu pflanzen ist ja seit den 90er Jahren mein Konzept. Es gibt auch ein akademisches Angebot. Ich war einmal bei einem Kurs über Rankepflanzen.
In den Ladenketten mit niedrigen Preisen für Blumen kaufe ich gerne etwas, was vergehen wird, ich schenke mir oder anderen Blumen für die grauen Zeiten, wie Erika und Calluna, oder Alpenveilchen und Christsterne für drinnen – Wegwerfpflanzen. Ende August kaufte ich über Jahre viele Zwiebeln bei Aldi, zum Spottpreis. Im Frühjahr kamen viele, aber im nächsten Jahr kaum noch. Eva Demski schreibt in ihrem interessanten Buch Gartengeschichten (Insel), dass ihre Mutter auf die holländische Gartenmafia schimpfte, die Blumenzwiebeln so zurechtzüchte, dass sie nur im ersten Jahr blühen. Nach einigen Jahren haben sich allerdings auch früher schon alle Tulpen verabschiedet.