Von vielen Stellen gibt es diese wunderbare Aussicht, wie von Postkarten bekannt: Zypressen in Reih und Glied, Olivenhaine und dazwischen leere Flächen, ohne Vieh, die jetzt im September, braun waren. Aber wo sind die Gärten?
Die Wirtin im Agriturismo empfahl den Garten von La Foce in der Nähe von Montepulciano, auf der Webseite kann man dann diese herrliche Weite des Tales sehen. Der Garten ist ein Renaissancegarten mit viel hochgewachsenem Buchs, kein Wohlfühlgarten, so gar nicht nach meinem Geschmack. Das Kleingedruckte nahm mir dann jede Lust auf einen Besuch: Tickets online bestellen, Führung in Italienisch oder Englisch für 45 Minuten, vorher und nachher darf man den Garten nicht betreten. Meine Besuche sollen aber so sein: Ich begucke einen Garten gerne eine Weile allein und mache dann, vielleicht, eine Führung.
In unserem Agriturismo wurde jede Mahlzeit auf einem Papierset serviert, mit der Erinnerung, dass es hier zwei Weltkulturerbestätten gibt: Seit 1996 Pienza und seit 2004 Val d’Orcia. Also wollten wir Pienza besuchen, im Palazzo Piccolomini ist auch ein Garten, wieder zu viel Buchs und kaum Blühpflanzen, aber zum Abhang ein Tor, von dem man das ganze Tal der Orcia überblicken kann.
Schon von der ersten Etage des Palastes überschaut man das Tal. Ich begriff, dass es im Val d’Orcia die Aussicht ist, um die es geht.
Auf den Schöpfer von Pienza, Enea Silvio Piccolomini, hatte uns schon der Reiseführer vorbereitet: „der ruhmgierige Humanist, in die Fußstapfen der großen Städtegründer der Antike tretend.“ Bei der Führung habe ich es so verstanden, dass er im fünfzehnten Jahrhundert schon viele Pläne hatte, sein Dörflein Corsignano sollte so werden wie Florenz. Die Planungen sind recht interessant. Um seinen Einfluss zu vergrößern, wurde er Priester und hat es dann bis zum Papst gebracht: Pius II. Pienza ist als die Piusstadt (pius heißt fromm) umbenannt worden. Wie stolz muss er gewesen sein, als er vom Himmel aus mitbekam, dass sein Pienza Weltkulturerbe wurde!
Also genoss ich Aussicht und Ruhe, und vor Allem, dabei keine Straßen zu sehen oder hören. Der Weg zum Agriturismo ist eine Staubstraße, die zu Recht den Namen „strada bianca“ hat, der Staub ist wirklich weiß. Beim Aussichtgenießen konnte ich mit dem Seniorwirt Mauro plaudern, er ist im Tal aufgewachsen und konnte, zum Glück, kein Englisch.
Die Familie ist Erbe eines Gutes aus dem 18. Jahrhundert und sie bauen Oliven an. Während ich dies einen Monat später schreibe, sind sie bei der Ernte, es sah gut aus in diesem Jahr, in anderen Gegenden Italiens hatte es noch weniger geregnet.
Gegenüber liegt Montalcino (Rosso di Montalcino! Brunello!), Luftlinie vielleicht 12 km, aber, um hinzukommen braucht es mehr als das Doppelte, da man nach San Quirico d‘Orcia muss, von dort werden alle anderen Orte, wie auch Pienza, sternförmig angefahren.
In San Quirico d’Orcia ist eine mehrsprachige Tafel zur Ernennung als Weltkulturerbe, und ein berühmter Park Horti Leonini, hohe Buchsformationen, viele Bereiche gesperrt—wieder ein Garten, in dem Kinder nicht spielen könnten. Statuen von Emmanuelle Giannelli zogen den Blick auf sich, alles nackte Männer in verschiedenen Größen und Positionen, manche hatten statt Gehirn einen Kasten, dazu gab es auch eine Ausstellung im Palast. Nun verbringe ich schon einige Zeit im Netz, um Giannellis Visionen zu folgen, er will das Chaos der Welt darstellen… Aber woher kommen alle diese Männer, wenn es keine Frauen mehr gibt?
Am Hintereingang vom Leoninipark war wohl mal ein Rosengarten, nun blühte eine hübsche Rose, sie duftete sogar. Es überwogen abgestorbene Rosen, manche hatten sogar Bewässerungsanlagen. Wehmütig dachte ich an meine Rosen (Abschiednehmen von den lieblingspflanzen schafft Raum für neue Lieben) und, vielleicht wegen der Kirche im Hintergrund an den alten lateinischen Spruch, davon, wie der Ruhm der Welt vergeht…
Wenigstens hatte ich eine neue Pflanze entdeckt eine Bella di notte, die direkt vor unserem Haus nachts blühte, sich aber tagsüber schloss, ich habe Samen mitgebracht.
Auf Deutsch heißt sie Wunderblume, auf Latein Mirabilis jalapa L. das Internet verrät: „Mehrjährige, ca. 70 cm hohe Pflanze. Sie ist buschig und produziert viele einfache Blumen in lebhaften Farben. Die Blumen öffnen sich während der Abenddämmerung und schließen sich am Morgen wieder. Auch als Topfpflanze geeignet.“ Meine wird rot, ich bin gespannt…
Und in unserer letzten Unterkunft im Val d’Orcia, in Vignoni alto dann endlich, wie ein Abschiedsgeschenk, ein Wohlfühlgarten, in dem Kinder spielen können oder Fremde sich an den Tisch setzen können. Er liegt an der Via Francigena, einem Jahrhunderte alten Wanderweg, wo täglich Wander/innen (oder Mountainbikeradler/innen) vorbeikamen.
Ein Schild verrät: Garten geschaffen von „manu“ und ein Gästebuch, angefangen im Frühjahr 2023 ist schon fast vollgeschrieben, „complementi“ kommt am häufigsten vor.
Ein riesiger Feigenbaum und Blumenbeete, wo jetzt Dahlien und Astern blühten. Die ersten Tage dachte ich noch, „manu“ hieße Hand im hiesigen Dialekt—die Besitzerin heißt Manuela! Leider wohnt sie nicht in Vignoni alto und kommt nur am Wochenende.