Das Düngen dient dem Wachstum der Pflanzen, ihrer Stärke und Blühfreudigkeit. Erfolge sind allerdings nicht immer sicher auf den Dünger zurückzuführen. Am deutlichsten sieht man sie beim Rasen: Er ist nach dem Aufbringen des Düngers viel grüner und dichter – und muss öfter gemäht werden. Ich sagte ja schon, dass ich nicht viel von übertriebener Rasenpflege halte und eigentlich Wiesen schöner finde. Seit einigen Jahren düngen wir nun alles, nicht nur den Rasen. Dabei, vor allem aber beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, ringen wir noch um das rechte Maß.
Als ich Kind war, freute man sich über die Fortschritte der Chemie, vor allem über Insektizide. Ich erinnere mich, dass wir im Sommer immer sehr viele Mücken hatten, in der Nähe war ein Löschwasserteich. Einmal sprühten wir am Abend, vorm Schlafengehen, die Zimmer kräftig aus. Danach wurden Fenster nicht mehr geöffnet, um alle Mücken zu vernichten, da musste man durch. Es gelang auch gut, leider starben auch die Zierfische. Obwohl ich sie nie besonders mochte, es waren Gubbys, ahnte ich, dass hier etwas ungut war. Und die Entwicklung gab mir Recht. Nun habe ich noch einmal in meiner Sammlung alter Gartenratgeber nachgelesen und darin die Laufbahn der Pflanzenschutzmittel in Deutschland verfolgt.
Das Lesen von Ratgebern aus alten Zeiten, inzwischen sind das auch die aus meiner Jugend, ist eine meiner Leidenschaften. Früher las ich solche für die Ehe- und Hausfrau, gerne auch Schönheitsbreviere wie „Schön sein, schön bleiben“, und seit einigen Jahren lese ich besonders gerne alte Gartenratgeber. In einer Ausgabe mit Gartentipps von 1964 wird das volle Spektrum der inzwischen verbotenen Pflanzenschutzmittel empfohlen, wie DDT und Lindan. In einem anderen Buch, von Margot Schubert, eine 1987 überarbeitete Auflage eines Werkes von 1969, wird mehr differenziert, jeder Schädling bräuchte sein Gift, allerdings wird schon vor einem Zuviel gewarnt. Die Wende kam in Deutschland mit Marie-Louise Kreuter. Sie hat in den Siebzigern ihre Erfahrungen im biologischen Gartenbau aufgeschrieben, ihr bahnbrechendes Werk Der Biogarten erschien 1981 bei blv. Bis zu ihrem Tod vor wenigen Jahren war Marie-Louise Kreuter Mitherausgeberin der Zeitschrift kraut und rüben. Ihre Erkenntnisse stellen für mich den Standard dar. Das Buch ist regelmäßig überarbeitet worden, ich habe es schon mehrmals verschenkt.
Sprühen möchten wir grundsätzlich nicht. Manchmal, wenn die Rosenknospen im Frühsommer Blattläuse haben, entferne ich sie mit der Hand. In einem Jahr hatte eine schon verblühte Christrose unter jedem Blatt Hunderte von Blattläusen. Nachdem ich sie einmal mühselig von unten mit Insektenspray behandelt hatte, wurden manche Blätter braun. Danach wurden sie jeden Tag liebevoll gebadet, wie ein Baby mit einem wunden Po. Jedes Jahr nehme ich mich mir vor, eine Brennnesseljauche anzulegen, um das Blattgrün der Rosen zu verbessern. Ich habe sogar Beinwell, das soll die Jauche noch wirksamer machen. Und sie wird in allen Gartenbüchern hochgelobt.
Schnecken werden zerschnitten. Der Versuch, Schnecken durch Bierschüsseln anzulocken, war zu erfolgreich. Es kamen sogar die Schnecken aus Nachbars Garten zu unserem Bier. Die Bierleichen sind nicht schöner, deshalb arbeite ich mechanisch.
Ich halte es wie Heinrich Freiherr von Schilling. In seinem „Volksbuch für Gartenfreunde, Gärtner, Samenzüchter, Würzkräuter- und Apothekerpflanzen Anbauende“ mit dem Titel Die Schädlinge des Gemüsebaues und deren Bekämpfung (von 18(!)98) werden die Käfer sorgfältig abgelesen, zerdrückt und befallene Pflanzenteile, wenn nötig, vernichtet und nicht zum Kompost gegeben. Nur im äußersten Falle empfiehlt er Schärferes: Tabakabsud, Petroleumseifenlösung und als letztes Geschütz Schweinfurter Grün. Wer sich für die Umweltschutzpolitik von vor über 100 Jahren interessiert, sollte diese wirksame Kupfer-Arsenverbindung googeln, die erst verboten wurde, als lange Jahre ihre Giftigkeit bereits für Menschen bekannt war. Wegen der schönen lindgrünen Farbe hatte man Festsäle innen damit angestrichen, und die Menschen erkrankten an Arsenvergiftungen. Die Hersteller leugneten, ließen von Wissenschaftlern Gegengutachten erstellen und konnten somit Zeit herausschinden, bis die Chemikalie endlich verboten wurde.
Nachdem wir einige Jahre ganz ohne Chemie ausgekommen waren, wenden wir sie nun sehr gezielt doch an. Über die Freude meines Mannes an Gierschfrei habe ich schon geschrieben, über die Rattenköder auch. Eine weitere Ausnahme stellt die Birne dar, gegen den Birnengitterrost wird nun auch gesprüht, nach Beratung von Fachleuten. Zuerst führte ich ein Telefongespräch mit dem Fachmann einer Baumschule. Es ist bekannt, dass Wacholder (Juniperus) die Wirtspflanze des Schädlings ist. Er meinte, irgendwann würden deshalb keine Wacholder mehr angepflanzt. Schon jetzt stimmt, dass es in Berlin Kleingärten gibt, die ihren Mitgliedern verbieten, Wacholder anzupflanzen. Das wäre ja eine angenehmere Methode. Aber für unsere Birne kommt es wohl zu spät. Der Mitarbeiter des Pflanzenschutzamtes empfahl Duaxo, sagte, die Behandlung müsse jedes Jahr erfolgen, wenn die ersten Rostflecken auf den Blättern erscheinen, es wäre unbedenklich, wenn man entsprechend der Gebrauchsanweisung verführe. Ein einmaliges Spritzen hat bei unserem Baum ausgereicht und die Birnen konnten geerntet werden.
Aber bei diesem Mittel wächst der Widerstand gegen seinen Einsatz mit jeder gelesenen Zeile des mehrseitigen, kleingedruckten Beipackzettels. Anwenden dürfen wir es, weil wir kein Wasserschutzgebiet sind, Haustiere sind fernzuhalten, und für die Himbeeren in der Nähe der Birne gab es ein mehrwöchiges Essverbot! Ob wir wohl auch dann spritzten, wenn es nicht der Baum des Enkelsohns wäre, der nun endlich, wie die Bäume der Schwestern, auch Früchte tragen soll?
Zum Glück sind unsere Buchse nicht gefährdet, hoffentlich bleibt es so. In den Gärten in der Dordogne in Südwestfrankreich gibt es große Sorgen: In einem dieser Gärten war der Cylindrocladium buxicola, schon angekommen, ein Buchsbaumpilz, der sich in Europa ausbreitet. Er bringt die Blätter zum Absterben. Ein anderer Schädling, der Buchsbaumzünsler, war dort unbekannt. Es ist die Larve eines Schmetterlings, die einen Buchsbaum innerhalb von Tagen kahl frisst. Sie breitet sich in Teilen Deutschlands aus, und ist, vom Süden kommend, in Richtung Berlin schon in Cottbus angekommen…
Beim Düngen können wir noch dazulernen. Unser Lernprozess fing mit den Rosen an. Als unsere Tochter ritt, ließ ich mir im Herbst eine Wanne voll Pferdemist bringen. Dieser wurde abgelagert und nach frühestens sechs Monaten auf die Rosen verteilt. Nach dieser ersten Erfahrung mit Dünger war ich mir sicher, dass er den Rosen zu mehr Blüten verhalf. Es gab auch für mehrere Jahre auf dem Rasen kreisförmig angeordnete Wiesenchampignons, manchmal so viele, dass sie für eine kleine Zwischenmahlzeit reichten.
Inzwischen wuchs unser Gartenwissen. Die Zusammensetzung der Erde wurde wichtig: Zum Beispiel, dass Rosen Gartenerde auf lehmigem Untergrund brauchen. Dann habe ich mich mit Kamelien auseinandergesetzt, sie brauchen Moorbeeterde, und es wurde Moorbeeterde gekauft, auch für die Azaleen, Hortensien und Rhododendren und die Pieris. Für die meisten Pflanzen nehmen wir den eigenen Kompost. Wenn er nicht reicht, kaufen wir Blumenerde dazu.
Die Pflanzen bekommen im Frühjahr einen kleinen Sack Blaukorn. Dies ist ein mineralischer Dünger, der nur dem Grünwachstum dient. Viele Spezialisten raten davon ab, ich bilde mir ein, dass er zum Sprießen beiträgt. Es soll ja auch alles schön grün sein, und er kostet nicht viel. Die blauen Körner werden etwas eingearbeitet und dann beim nächsten Regen oder Sprengen ins Erdreich gespült. Bei sandigen Böden rauscht er rasch durch. Wir haben Glück und fast überall eine Lehmunterlage im Boden, so dass er sich nicht ganz so schnell auflöst. Manchmal liegen die blauen Körnchen noch nach Wochen auf dem Boden, was ich ein bisschen störend finde.
Beim Einpflanzen kommt eine Handvoll Hornspäne in das Pflanzloch, dieser Dünger ist organisch, er löst sich langsam auf. Er riecht nach tierischen Produkten. Es gibt ein gutes Gefühl, ihn in die Erde einzubringen. Unser Sohn spuckt dann immer noch auf die Wurzeln. Das bringt vermutlich weniger, aber, wer weiß?
Und im Laden fand ich verschiedene Dünger: Für Rosen, für Hortensien, für Beeren und noch anderes, was mich nicht interessierte. Für die blau blühenden Hortensien gibt es extra Dünger mit dem Aluminiumsalz Alaun, weil die blauen Hortensien eigentlich rote sind, die auf alaunhaltigem Boden blaue Blüten haben. Für die Kamelien gibt es flüssigen Spezialdünger, der ins Gießwasser kommt, für die meisten ab Juni, also in der Zeit, wenn die Blüten für das nächste Jahr ausgebildet werden. Nach August nicht mehr.
Wir hatten dann mit den Hornspänen fünf verschiedene Sorten Dünger, und ich kam mir ziemlich wichtig vor, wenn ich alle vorschriftsmäßig einsetzte. Aber, immerhin, der Erfolg gibt mir recht. Es wurde im März alles gedüngt, nach der Blüte noch einmal, vor allem die Rosen und Clematis. Die Menge kann man in der Gebrauchsanweisung ablesen. Ich versuchte, Dünger günstig bei ALDI zu kaufen, verpasste dies leider oft. Aber für guten Dünger war mir kein Euro zu viel.
Dann kam der Schock: Phil, damals unser Gärtner, stellte fest, dass die Dünger für Rosen und Moorbeetpflanzen genau gleich waren. Sie sahen nicht nur gleich aus und rochen gleich, auch die chemische Zusammensetzung, wie auf der Packung angegeben, war identisch. Nur der Name und das schöne große Bild auf der teuren Packung waren unterschiedlich. Seitdem nehme ich nur noch Hornspäne und Guano als Dünger für alle Pflanzen. Die Erfolge sind nicht zu übersehen, im Gegenteil, als in einem Frühsommer auch starke Regenfälle dazukamen, wurden mir die Blütenköpfe der Annabelle mit über dreißig Zentimetern Durchmesser zu groß, um noch schön zu sein.
Inzwischen weiß ich, dass der wirkliche Experte sich auch mit den einzelnen Stoffen auskennt: Phosphor, Magnesium, Kalk. Dazu fehlt mir das Wissen, in diesem Jahr haben wir begonnen, die Obstpflanzen zu kalken. Wehmütig denke ich an die Zeiten des Pferdemists zurück, in denen es als Zugabe wunderbare Wiesenchampignons auf dem Rasen gab.