doch nur wenige Maler sind auch Gärtner, mit diesem Satz wird das Kapitel über den Garten von Claude Monet in Giverny eingeleitet. Marie-Françoise Valery hat den Text in einem großen Bildband über Gärten in Frankreich (Taschen) geschrieben. Mir schmeichelt diese Behauptung, weil ich nicht gut malen kann, aber umgeben bin von begabten Menschen: Die beiden Großväter meines Mannes waren Kunstmaler von Beruf und haben ihre Begabungen vererbt, und auch die Schwiegertochter bringt einiges mit: Ihre Mutter ist Bärbel Müller, von der neben dem Titelbild auch einige der Gartenbilder gemalt wurden. Bessere Fotos als ich machen schon die Enkelkinder! Aber die Farben und Formen interessieren mich, und im Garten gestalte ich mit ihnen. Jetzt kann ich mir also einreden, dass auch ich eine Malerin wäre; schon Vita Sackville-West sagte: „… one has the illusion of being an artist painting a picture.“ Ich gebe mich der Illusion hin, ich wäre eine Impressionistin mit Hang zu expressionistischen Kontrapunkten.
„Monet hat die vierzig schon überschritten, als er Giverny für sich entdeckt.“ So beginnt das Buch Ein Garten wird Malerei von Horst Keller (Dumont). Das war 1883. In den ihm bleibenden gut vierzig Jahren hat er mit seiner großen Familie sein Paradies geschaffen, um es malen zu können. In den ersten Jahren legte er den „clos normand“, den Bauerngarten an, wo Gemüse und Blumen gezogen wurden, die Kinder mussten abends wässern. Mehr und mehr säumten Zierpflanzen die Beete, inzwischen bestimmen sie den Garten. Besonders schön ist es im Mai (Tulpen, dann Schwertlilien und Pfingstrosen) und im August (Kapuzinerkresse und Geranien). Alle Pflanzungen tauchen auf seinen Bildern auf. Später gestaltete er in einem anderen Teilstück des Gartens seine Wasserlandschaft. Monet hat Zeit seines Lebens in der Nähe von Gewässern gelebt und sich neben seinem Grundstück einen Bach, die Ru, gekauft. Dieser speist den großen spielerisch geschwungenen Teich, so angelegt, dass er den Wasserstand regulieren konnte. In seinen letzten Lebensjahren, als er schlechter sehen konnte, malte er fast nur noch die riesigen Seerosenbilder, nach Vorlage der Blüten auf diesem Teich, den nymphéas.
Monet ist einer der führenden Maler des Impressionismus, er malte einen Augenblick, eine Stimmung. Zu seiner Zeit gab es in Europa, vor allem in Frankreich, als fernöstlich beeinflusste Kulturströmung, den Japonisme. Japan hatte sich nach über zwei Jahrhunderten des Sakoku, des Abschließens von der Außenwelt, dem Westen geöffnet und diese „neue“ Kultur faszinierte hier. Auch bei Monets zu Hause hingen japanische Landschaftsbilder, man kann ihre Kopien besichtigen. Die berühmte asiatisch anmutende Bogenbrücke über seinem Teich ließ er davon beeinflusst so bauen, und er konnte unter dem Bogen den Uferstreifen hinter der Brücke sehen und malen. „Rien au monde m‘intéresse que ma peinture et mes fleurs.“ (Nichts auf der Welt interessiert mich außer meiner Malerei und meinen Blumen.) Blumen erfüllten ihre Aufgabe als Objekte für die Malerei, Bilder von ihren pflanzlichen Eigenschaften malte er nicht.
Der deutsche Impressionist Max Liebermann lernte Monets Garten kennen, als er für einige Jahre in Paris lebte und malte. Später, als er mit fast sechzig Jahren vermögend geworden war, legte er sein „Schloss am See“ am Berliner Wannsee an und malte Haus und Garten.
Gertrude Jekyll, eine Zeitgenossin der beiden, wurde im höheren Alter eine berühmte englische Gartengestalterin. Kunst hatte sie studiert und war eine erfolgreiche bildende Künstlerin und Innenarchitektin. Dem Gärtnern wandte sie sich zu, als ihre Augen für feine Handarbeiten aufgrund einer Erkrankung so schlecht geworden waren, dass sie nicht mehr in diesen Berufen arbeiten konnte. Sie war Anhängerin der Arts and Crafts-Bewegung und arbeitete mit natürlichen Formen und Materialien, Handarbeit stand im Vordergrund. Den damals üblichen Pflanzstil mit Rabatten mit einzeln gesetzten Pflanzen lehnte sie als „Teppichgarten“ ab und setzte Pflanzgruppen an deren Stelle, die wie fließende Wellen ineinander übergingen. „Gertrude Jekyll bevorzugt eine großflächige Farbgestaltung wie auf impressionistischen Gemälden, oftmals in nur wenigen Schattierungen. Berühmt geworden sind ihre Pflanzungen in den Farbtönen, die sie auf ihren Reisen rund ums Mittelmeer kennen- und lieben gelernt hat — so entstehen Kompositionen aus Scheinsalbei, und Katzenminze, Wollziest und Lavendel.“ Das ist aus dem ihr gewidmeten Kapitel des Buches Die Damen mit dem grünen Daumen (Sandmann). Ihre Farben sind Grau und Violett, Rosa und Silber.
Bekannt wurde sie als Partnerin des Architekten Edwin Lutyens. Beide planten viele Anlagen für wohlhabende englische Aristokraten, über einhundert in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg; er plante die Häuser, sie die Gärten. Als sie sich kennenlernten, war sie doppelt so alt wie er, er nannte sie Tante Bums (Aunt Bumps), weil sie zunehmend eigenbrötlerisch und unwirsch auftrat. Sie war eine Gartenautorität, die Standardwerke über ein- und mehrjährige Pflanzen und über die Anordnung der Blumen nach Farben (Colour Schemes for the Flower Garden) verfasst hatte. Darin schrieb die gelernte Künstlerin (zitiert nach English Country Gardens): “Having got the plants, the great thing is to use them with careful selection and definite intention. It is just in the way it is done that lies the whole difference between commonplace gardening and gardening that might rightly claim to rank as a fine art.” (Wenn man die Pflanzen hat, ist es am wichtigsten, sie nach sorgfältiger Auswahl und mit klarer Absicht einzusetzen. Die Art, wie dies geschieht, bestimmt den ganzen Unterschied zwischen gewöhnlichem Gärtnern und einem Gärtnern, das zu Recht als Kunst gelten kann.)
Als sie 74 Jahre alt war, besuchte die zu dieser Zeit angehende Gärtnerin Vita Sackville-West sie in ihrem Garten Munstead Wood (zu lesen in Vita’s Other World, eine „gardening biography“, reich bebildert, die sich den gärtnerischen Aktivitäten Vitas widmet). Sie begleitete ihre Mutter, Lady Sackville, die frisch mit Edwin Lutyens liiert war und nun die von diesem verehrte Gertrude Jekyll kennenlernen sollte. Nach dem Tagebucheintrag findet Vita sie wenig inspirierend: „Sie war sehr dick und poltrig, der Garten stand nicht zum Besten, aber man konnte sehen, dass er schön sein muss.“ In der Praxis allerdings komponiert Vita ihre Gärten in Anlehnung an Gertrude Jekyll. Hinten die größeren Pflanzen, vielleicht Säulen von Stockrosen oder Wollziest oder Fingerhüte und Eisenhut, und im Vordergrund größere Tuffs von niedrigeren Stauden, farblich abgestimmt und im Frühling eingestreut jeweils größere Gruppen von Zwiebelblühern.
So mache ich es seit über zwanzig Jahren und entdecke endlich Gertrude Jekyll als Vorbild. In meinem kleinen Garten inszeniere ich Begegnungen von Pflanzen. Der Ausschnitt soll nicht größer sein als das, was man mit einem Augenblick überschaut. Da sind dann vielleicht vier, mal auch acht Pflanzen so zueinander aufgestellt, dass sie sich in Form und Farben, aber auch in der Tiefe und Höhe, also dreidimensional, ergänzen. Dazu lasse ich gerne höhere Pflanzen, etwa Phlox, vorn am Beetrand stehen, lasse dahinter Raum für Niedriges und schließe nicht immer mit höheren Pflanzen hinten ab. Dadurch entsteht eine besondere Räumlichkeit, es vergrößert den Garten, und wenn man die Nachbargärten mag, lenkt man gern den Blick auf sie. Besonders gefällt es mir, wenn die Pflanzen insgesamt stimmig verblühen, das heißt, dass sie beim Verblühen ihre Farben nicht ins Unpassende verändern. Über die Jahrzehnte haben sich mehrere solcher Ausschnitte entwickelt, jeder Monat hat seine besondere Ecke und es werden immer mehr. Das nenne ich impressionistisch gestalten.
Wenn ich glaube, einen expressionistischen Hauch einzustreuen, denke ich an Emil Nolde. Auch er hatte einen Garten angelegt, in Seebüll, unweit der dänischen Grenze. Er war ein Zeitgenosse der Impressionisten, allerdings eine Generation jünger. Seine Blumen haben sehr leuchtende Farben, es sind die Diven der dramatischen Klasse. Auf einer Ausstellung in der Liebermann Villa am Wannsee waren unlängst diese beiden Maler zusammen ausgestellt. Auf Noldes Bildern knallte es. Das waren die Hingucker. Unglaublich schöne Blüten etwa bei Mohn und Iris.
Eine solche Selbstdarstellerin ist bei mir die purpurfarbene Baumpäonie im Mai vor dem elfenbeinfarbenen Waldgeisbart, sind die zinnoberroten Montbretien vor dem roten Schlitzahorn. Der Alant stand im Hochsommer wie ein Tannenbaum, mit kleinen gelben Blüten wie Strohsterne. Leider wurde er mir zu groß, und er musste weichen.
Die Goldelse steht satt und warm vor den blauen, kalt farbigen Rosen und dem Plattährengras, im Nebenbeet ist eine riesige Sonnenblume im Rosenbeet, vielleicht hat ein Vögelchen sie dahin gesetzt. Wenn die sanften Farben drohen, langweilig zu werden, tut ein kräftiger Kontrast gut. Ein bisschen knallen soll es in meinen Blumenbildern, es darf auch eine Nachtkerze sein, die in einem Jahr mit viel Regen zwei Meter hoch wurde und mit sechs Seitentrieben wie ein Busch aussah. Wer fragt dann noch, ob es farblich passt?
Ich habe keinen Garten , nur einen 30 qm Rasen . Aber ich male gern Blumen.
Ich bewundere die Art, mit der Oma ihren Garten denkt und gestaltet, wie ein Maler mit Pinsel und Farbe.
Vielen Dank für diesen netten Artikel. Das mit dem Maler ist eine schöne Idee. Da möchte ich gleich Schaufel und Gewebesäcke rausholen und wieder im Garten arbeiten.
Hallo Amalia,
vielen lieben Dank für den netten Kommentar! Ja, der Gartenvirus packt einen regelmäßig wieder 😉
Liebe Grüße,
Eva Luber