Clematis

Clematis zählen zu den Pflanzen, die ich in meiner Kindheit und Jugend gar nicht kannte. Es ist erst 20 Jahre her, dass ich einmal ganz begeistert fragte, wie diese wundervolle rosa Wolke da oben an der Stange wohl hieße. Unvorstellbar, dass ich diesen Schatz so spät entdeckt habe!

Die erste war, was ich damals nicht wusste, der Klassiker, eine dunkelblaue ‘Jackmanii‘. Sie blühte mehrere Jahre mit einem Teppich von über zwei Quadratmetern in einer nicht gerade sonnenverwöhnten Ecke, die später, sicher kein Zufall, die blaue Ecke geworden ist. Irgendwann ging sie ein. Inzwischen habe ich bald 40 Clematis. Sie meinen, das wären viele? Walter Hörsch berichtet in seinem Clematisbuch (blv) von über 200, die er in seinem „relativ kleinen Garten“ hätte.

Sie ziehen zu unterschiedlichen Jahreszeiten eine zweite Blütenetage in den Garten ein. Es gibt auch Sorten, die wie Stauden am Boden blühen, aber dafür gibt es genug andere Pflanzen. Gerade im Frühsommer, wenn der Frühlingsflor vorbei ist, die Obstbäume nicht mehr blühen und die Sommerpflanzen noch nicht da sind, setzen die Clematis kräftige Farbtupfer ins Bild. Später gibt es zum Teil sehr interessante Fruchtstände, glitzernde Spiralbällchen oder filzige Kügelchen. Leider halten sie sich kaum in Gestecken.

Es ist eine Rankpflanze, die ohne Hilfen auf den Boden fällt. Sie hat keine Saugnäpfchen, wie Efeu, sondern muss fixiert werden. Soll sie sich von allein mit ihren kräftigen Spiralen festhalten, so müssen die Haltegriffe waagrecht liegen, sonst rutschen die Pflanzen, spätestens wenn sie die schweren Blüten tragen, am Stab herunter. Im Frühling, wenn sie treiben, gehe ich täglich in den Garten und helfe ihnen, sich festzuhalten, wenn nötig, binde ich sie fest. In vielen Büchern steht, dass sie einen schattigen Fuß wollten, aber es reicht, den Fuß etwas zu mulchen und gut zu wässern. Schattenspendende Pflanzen oder Gegenstände sind oft Tagesverstecke der Nacktschnecken.

Oben wollen sie Sonne, wobei manche mehr davon brauchen. Der deutsche Name Waldrebe zeigt, dass sie daran gewöhnt sind, aus dem Schatten kommend zum Licht zu streben. Allerdings sollten sie zweimal im Jahr gedüngt werden, etwa wie Rosen.

Ihre Blüten sind sehr unterschiedlich in Größe, Farbe und Form, und manche sind gefüllt. Eine schöne rosa, die Piilu, blüht bei mir im ersten Flor überwiegend gefüllt und im Spätsommerflor nur in einer einfachen Schicht. Sie blühen als offener Stern mit sechs Blütenblättern, andere mit nur vier, manche füllen den Stern auf mit kleineren Blättern. Die Montana rubens, mit nur vier Blättern, macht dies durch Blütenfülle mehr als wett. Manche haben hängende Glöckchen und einige wenige duften.

Immer so zwei oder drei gehen pro Jahr ein, die ich dann im Frühjahr ersetze. Wie bei allen Pflanzen bleibe ich gern bei den bewährten alten Sorten. Einmal las ich in einem Buch von Virginia Wolf, dass die ‘Jackmanii‘ blühen. Ich freute mich wie ein Kind, dass ich doch wirklich in meinem Garten auch welche hatte. Erstmalig beschrieben wurde sie 1863 in der Baumschule Jackmann in England. Inzwischen gibt es ‘Jackmanii‘ auch in anderen Farben als Blau. Ein anderer Klassiker ist die rosa Nelly Moser, von der ich drei habe, sie gibt es seit 1897.

Bevor man sie pflanzt, sollte man bedenken, was mir bei meinem Gartengang nach dem ersten Frost auffiel: Sie blüht im besten Fall drei Monate, aber den ganzen Winter über hat sie große braune Blätter, die das Auge beleidigen können. Wenn die Blätter einzeln entfernt werden sollen, dann mit einer scharfen Schere, nicht reißen, weil man dabei den leicht verholzten Trieb anreißen kann. Es ist so, als wenn man einen Bambusfaden aufreißen würde.

Beim Zurückschneiden gilt es aufzupassen und die Blühzeiten zu kennen: Die Frühlingsblüher blühen an Knospen, die sie im Vorjahr ausgebildet haben. Bei mir sind dies die Alpina und die Montana, sie werden direkt nach der Blüte geschnitten (Gruppe 1), etwa im Mai. Die anderen blühen im Frühsommer und Sommer (Gruppe 2) und einige im Herbst. Sie sind die Vertreter der Gruppe 3. Ihre Knospen bilden sie für die Blüte in diesem selben Jahr aus. Sie werden vor Wintereinbruch eingekürzt, ruhig auf 30 cm.

Gute Erfahrungen habe ich mit Nelly Moser, einer großblühenden in hellrosa mit dunkelrosa Streifen, der ganz weißen ‚Madame Le Coultre‘ und vor allem mit der weißen Huldine, die später im Sommer blüht und außen leicht blaue Streifen hat. Gefüllt weiß ist Arctic Queen, leider blüht sie etwas spärlich, wahrscheinlich kann sie sich den Wurzelraum mit der Kirsche, an der sie rankt, schlecht teilen. Bei den rosafarbenen empfehle ich neben Nelly die gefüllte Piilu und Pink Fantasy.
Blaue gibt es reichlich. Es fängt bei uns an mit einer Alpina, sie gehört zur Gruppe 1, die Anfang April blüht, dann kommen die Jackmannen und eine mittelblaue William Kennett. Gefüllt ist Kiri Te Kanawa und überraschend robust für diesen divenhaften Namen. Sie ist nach der neuseeländischen Opernsängerin benannt, die zu Princess Dianas und Charles’ Hochzeit in der Kirche sang. Ashva hat kleinere Blüten und dunkelrote Streifen.

Rote gibt es viele, ich habe drei Ville de Lyon, eine Rüütel. Sie wächst nicht höher als zwei Meter. Rebecca hat ein leuchtendes Kirschrot und schwebt über dem japanischen Ahorn mit seinen rotbraunen geschlitzten Blättern. Auf Princess Dianas rote Blüte warte ich noch, sie wurde vor zwei Jahren gepflanzt.

Der Star ist Montana rubens, aus der Gruppe 1, die ein vier Meter langes Band mit einer Breite von einem Meter im frühen Frühling hellrosa färbt, passend zur Magnolie. Vor zwei Jahren war Montana eingegangen, es war mühsam, die meterlangen toten Triebe aus der Kletterose zu holen. Weil ich unbedingt an dieser Stelle, schon wegen der Magnolie, eine neue wollte, wurde sie gekauft und gepflanzt. Einen Monat später trieb die alte wieder aus und ist nach einem Jahr wieder über drei Meter lang.

Im Clematisbuch berichtet der Autor, dass ihm häufig von derartigen Verlusten bei Montanas berichtet würde, ihm selbst sei es auch schon passiert. Er vermutet, ausgehend von seinen Kenntnissen über deren asiatische Heimat, dass sie ab August kein Wasser mehr bekommen sollten. Schlecht wäre es, wenn sie im Winter noch voll im Saft stünden. Also ab August nicht mehr wässern. Ob ich das der Nachbarin Magnolia nigra zumuten kann? Das ist das Problem der kleinen Stadtgärten, alles ist eng bepflanzt. Die Farbkombination habe ich in meinem Buch Garden (Pengouin) von Vita Sackville-West gesehen, meine Freude über diese Entdeckung mäßigte sich jedoch, als ich sah, dass bei ihr die Pflanzen gut zwei Meter auseinander stehen. Die vertriebene Ersatz-Clematis bekam dann einen anderen Platz. Sie wurde ohne besonderen Plan neben einen Blauregen (Wisterie oder Glyzine) gesetzt, da war wenigstens schon eine Rankhilfe. Im darauffolgenden Winter fror die Wisterie stark zurück. So konnte die Montana das verholzte Skelett ein wenig begrünen, inzwischen wechseln sich die beiden mit der Blüte ab, denn auch die Wisterie erholte sich, ist allerdings nach zwei Jahren noch nicht wieder die alte. Zwei Gartenfreundinnen hatten im selben Jahr das gleiche Wisterienpech.

Es ist ein Glücksfall, wenn sich die Pflanze zu einem großen Teppich entwickelt. Die eine Nelly Moser gab zweimal auf, an Clematiswelke vertrocknet, um dann im übernächsten Jahr wiederzukommen. Inzwischen ist sie die größte von allen! Auch bei dieser Pflanze lohnt es sich Geduld zu haben.

Wegen meiner Vorliebe für bewährte Sorten habe ich nichts dagegen, wenn ich eine mehrfach habe. Hauptsache, sie blüht schön! Ich denke daran, dass Vita Sackville-West nur etwa ein Drittel der Pflanzen, die es heute gibt, zur Verfügung hatte und damit einen sehr schönen Garten schuf. Auch bei Clematis lasse ich Andere die Neuheiten ausprobieren. Die alten sind auch preiswerter. Allerdings leiste ich mir jedes Jahr zum Probieren eine neuere Sorte, die noch den Sortenschutz hat. Bisher mit wechselndem Erfolg, aber noch nie mit durchschlagendem Erfolg. Davon spräche ich, wenn sie über mehrere Jahre als dichtes Blütenfeld von, sagen wir, mindestens zwei Quadratmetern Größe blühte.

Ewig trauern werde ich um die gelbe Tangutica, die genau das tat, aber den Pflaumenbaum so stark eingepackt hatte, dass er sich nicht bewegen konnte und nicht blühte. Aber wie diese gelbe Clematis im Herbst blühte! Dass ich sie, um die Pflaume zu retten, umpflanzen wollte, nahm sie mir so übel, dass sie einging. Weitere Versuche mit gelben waren bisher nicht überzeugend. Eine andere musste ich umpflanzen, weil der Baumstamm, an dem sie rankte, als Haltepfosten für die Hängematte benötigt wurde.

Offenbar kann man Glück mit ihnen haben, oder auch nicht. Im nächsten Jahr will ich versuchen, über Absenker die blühwilligen zu vermehren. Die Diskussionen in Internet Chats machen Mut. Bisher kaufe ich immer beim Frühlingsstaudenmarkt am Botanischen Garten einige, die ich bei Clematis Westphal per Email vorbestelle. Zur Sicherheit zwei alte Sorten und bei einer weiteren wage ich dann etwas. Bestimmt wird einmal ein Schatz gehoben!

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