Ernst Pagels kennenlernen!
In diesem Jahr wollte ich wieder zu der Jahrestagung der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur fahren, und diesmal machte Corona mir keinen Strich durch die Rechnung!
Mitglied bin ich seit zwei Jahren und hatte bisher die Veranstaltungen in und um Berlin genossen, und zum Teil auch in Blogbeiträgen davon berichtet: Späth’sche Baumschule, Garten in Eiskeller, Freundschaftsinsel Potsdam, Besuch des Geländes des Julius-Kühn-Institutes in Dahlem, um einige Beispiele zu nennen.
Diesmal ging es an die holländische Grenze in Papenburg, wo in der Nähe, in Leer, der Pagel’sche Garten zu besichtigen ist. Schon vor seinem Tod 2007 hat er ihn, mangels geeigneter Nachfolger:innen, an die Stadt verschenkt, und die Nutzung für soziale Einrichtungen ermöglicht. Er hat viele Stauden gezüchtet (Sedum, Elfenblumen, Schafgarbe und Geißbart), sein besonderer Ehrgeiz war es, Gräser im Klima von Ostfriesland zum Blühen zu bringen. Dadurch wurden sie wertvolle Gestaltungselemente, die prägend bei seinen, und wie wir sehen konnten, auch bei seinen Zeitgenossen für Gartenplanungen genutzt wurden.
Da wir etwas länger in Ostfriesland waren, besuchten wir auch den Garten der Familie Knospe in Aurich, wo wir aufmerksam geführt wurden. Alle Fotos sind aus diesem sehenswerten Garten, der auch für Interessenten geöffnet wird.
Schon bei der Mitgliederversammlung am Vortag stellte ein lokaler Politiker bei seiner Begrüßungsansprache fest, dass man vor Ort erst langsam Interesse an Pagels Lebenswerk gewonnen hat. Umso mehr war man gespannt auf den 13.8., wo ein ganztägiges Symposium stattfinden sollte, es hatten sich über 300 Menschen angesagt, und es wurde voll!
Die Veranstaltung war ambitioniert geplant und durchgeführt; sie ging, mit Pausen, über zehn Stunden und wurde professionell von Frau Heike Sicconi, die eine Gartensendung leitet, moderiert. Die meisten Referenten kannten Pagels noch persönlich. Im Beitrag „Ernst Pagels – Genialer Züchter und Visionär“ sprach Herr Gerhard Mühring, als „Zeitzeuge, Wegbegleiter, Sorten Bewahrer“. Er zeigte, im Plauderton, schöne Fotos, etwa vom Sedum Karfunkelstein, und dazu gab es Erlebnisse mit Pagels zu seinen Züchtungen. Er selbst war in seinen Achtzigern, und sich sicher, auch weit über 90 Jahre alt zu werden, so wie die anderen Staudengärtner vor ihm: Klaus Foerster, Ernst Pagels und Beth Chatto …
Länger möchte ich von zwei Beiträgen berichten, zuerst von Jens Schachtschneider mit dem Titel: „Warum Ernst Pagels vielen heutigen Pflanzenzüchtern die Leviten lesen würde!“
Jens Schachtschneider erinnerte an Pagels Konzepte, die wir heute als nachhaltig bezeichnen würden: keine Patente, keine Vermehrung mit Pinseln. Wie anders dagegen heute die Massenproduktion, wie sie in Gartencentern auf den Markt geworfen werden: Etwa das Lob der Kleinwüchsigen: niedrige Pflanzen können nämlich in höheren Türmen gestapelt werden.
Oder die übermäßige Düngung bei Echinaceen und Ritterspornen: Blühend werden sie verkauft, aber danach gehen sie ein. So werden Stauden wie Einjährige gezüchtet und somit ihres Charakters beraubt. Dazu müssten die Kundeninformationen geändert werden! (Siehe auch meine Rezension von: Neue Staudenverwendung von Norbert Kühn!) Und Schachtschneider berichtete, wie alle danach folgenden Redner von Pagels Verehrung für die englische Gärtnerin Beth Chatto: schon jung hatte sie weiße Haare und war immer gut frisiert! Pagels nannte sie die weiße Frau und gab den Namen auch einer seiner Züchtungen. Das war ein passender Übergang für den nächsten Redner: Peter Jahnke, der nicht nur für Pagels gearbeitet hatte, sondern auch einige Jahre bei Beth Chatto.
Chatto hatte keine Ausbildung als Gärtnerin, ihr Mann war Geologe und Obstbauer, der sich besonders für die im 20. Jahrhundert aufkommende Wissenschaft der Pflanzensoziologie interessierte. Auch sie studierte die Gemeinschaften der Naturstauden und schuf die Grundlage für einen Betrieb: „Da die Obstplantage ihres Gatten wenig Gewinn abwarf, musste sich Beth Chatto nach einer anderen Einkommensquelle umsehen und gründete daher 1967 eine Zierpflanzenhandlung namens „Unusual Plants“, die auf Stauden spezialisiert war. Dabei konnte sie ihre Beziehungen zu Helene von Stein-Zeppelin in Laufen in Baden nutzen, die sie mit in England nicht erhältlichen Pflanzen versorgte“ (Zitat aus Wikipedia, da steht auch die kleine Anekdote, dass sie sich in Deutschland vom Lärm eines Landregens gestört fühlte!).
In Essex regnet es sehr wenig, sie maß über Jahre die Niederschläge und entwickelte Strategien: 1987 erschien ihr Buch The Dry Garden. Statt englischem Rasen schlug sie Kiesbeete vor. (Rez. Neue Staudenverwertung).
Damit waren wir auf der Tagung bei dem Thema, das über Allem schwebte: Die Trockenheit in unseren Gärten. Schon bei der Mitgliederversammlung betonte die aus Schleswig-Holstein stammende Präsidentin, dass es nur bei ihnen noch grünen Rasen gäbe; bei uns anderen waren die Rasen braun. Und so gingen alle Redner auf trockenheitsresistente Pflanzen ein. Als hätten Ernst Pagels und Beth Chatto das schon gewusst …