Bei unserem Besuch in den Gärten von Beth Chatto und Christopher Lloyd (Christo) entdeckte ich das Buch Dear Friend and Gardener, die Korrespondenz der beiden, die, wie sich dann herausstellte, nur von 1996 und 1997 währte. Darin schwärmten sie von ihrem gemeinsamen Reisen in den vergangenen Jahrzehnten. Darüber wollte ich mehr lesen. Und dann war da noch etwas:
Schon in Beth Chattos Buch über den Kiesgarten war mir aufgefallen, wie bemüht sie Andrew, ihrem Mann, dankt für sein Wissen über Pflanzenökologie, er sei ihr Spiritus Rector, der ihr Wissen geleitet hätte, vielleicht, weil er gerade vorher gestorben war?
Im Briefwechsel bestätigte sich dann, dass er zum Problembär („Fußfessel“, sagt Christo) geworden war, alle meine neugierigen Fragen dazu wurden in dieser Biographie beantwortet. Je älter ich werde, umso mehr interessieren mich die Persönlichkeiten der Gartenschöpfer:innen, und wie sie sich im Alter entwickeln.
Die Biographie wurde von einer Journalistin verfasst, die begonnen hatte, als Beth noch lebte. Ihr wurden Materialien zu Verfügung gestellt, der größte Schatz sind die Tagbücher, die sie während ihres langen Lebens (fast 95 Jahre) anschaulich, in einem erfrischenden Stil, auch über Intimes, verfasste.
Elisabeth Little wurde als Tochter eines Dorfpolizisten in Essex geboren und wuchs unter bescheidenen Bedingungen auf, der Garten der Familie diente der Ernährung der kleinen Familie. Die Eltern waren streng, sie wurde christlich fromm erzogen.
Im Weltkrieg ist sie eine junge Frau, das Elternhaus wurde zu einer Zufluchtsstätte für notleidende Dorfbewohner. Hierher kommt der wohlhabende Obstplantagenerbe Andrew Chatto, wegen diverser Leiden vom Wehrdienst befreit. Schon damals ist er ein Bücherwurm, der seit Jahrzehnten Pflanzen in ihren Verbünden beobachtete. Elisabeth ist angetan, sie heiraten bald. Für sie ist es ein sozialer Aufstieg, sie legt den Essexakzent ab, wird Beth, Hausfrau und Mutter der zwei Töchter. Berufstätig wurde frau damals nicht, obwohl sie eine Lehrerinnenausbildung hatte, als Hobby fertigte sie Pflanzengestecke und gewinnt damit lokale Preise.
Das Paar befreundet sich mit Cedric Morris, der in der Nähe einen ambitionierten Garten hatte. Erst nachdem sie über vierzig war, wurde sie mehr als Andrews Gattin: sie sorgte dafür, dass Betrieb und Familie umzogen, dahin, wo der Boden geeigneter war, gründete (noch mit ihm) die Gartenbaufirma „Unusual Plants“.
Sie neigt zu Depressionen, und, wie damals nicht selten, nimmt sie „mother‘s little helpers“. Als der Hausarzt ihr zu einem Lover rät, ist sie empört. Jahrzehnte später wird Hans, ein Apfelbauer, „der kleine, quirlige Holländer“ aus der Nachbarschaft, ihr Lover. Hans war derjenige, der sie unterstützte, wenn sie auf der Chelsey Flower Show präsentierte, Andrew fürchtete eher, sie erlebe „Demütigungen“.
Und sie war erfolgreich, gewann über viele Jahre goldene Preise. Dazu Fotos mit Mitgliedern des königlichen Hauses. Auf den vielen Fotos ist sie immer frisch frisiert, übrigens auch bei der Gartenarbeit. Beim ersten Preis gab es heftigen Streit innerhalb der Jury, ein Vertreter fand, dass sie Unkraut gezüchtet hätte, eben ihre „unusual plants“, für sie (und Andrew) sind die Formen und Farben der Blätter von gleicher Bedeutung wie Blüten.
Christo publiziert viel, schreibt Kolumnen für „Country Life“ und ein Buch, in dem er die von Beth geliebten Bergenien ignoriert. Die Freundschaft beginnt, als sie das schriftlich bemängelt und er sie, als Antwort, nach Great Dixter einlädt. Von da an verbringt sie regelmäßig Zeiten bei ihm, es ist wie Urlaub von zuhause und von Andrew. Was Andrew davon hielt? Er kommunizierte nicht gerne „und war vom Wesen her ein Einsiedler“.
Bei den Reiseberichten werden die Tagebuch Eintragungen im Original zitiert. Bei der ersten Reise, sie war sechzig geworden, freut sie sich noch über den Ausblick vom Flieger, sie reist allein zum Rothschild Schloss in Mouton, in der Bordeauregion. Den Luxus geniest sei. Mit Christo geht es in die Welt, über Australien und Neuseeland nach USA, mehrmals nach Schottland. Neben den Gärten werden Eigenheiten der Besitzer:innen aufgeschrieben, und was es zu essen gab.
Besonders wichtig war die gemeinsame Entdeckung des Strand Gartens vom Regisseur Jarman, in der Nähe von Great Dixter. Als Mulchmaterial diente Kies. Beth entschließt, den alten Parkplatz zu ihrem Kiesgarten zu machen. Sie schreibt Jarman: “Es wird keine Bewässerung geben. Mein Grundgedanke ist, dass es gefallen soll und ich dabei lerne. In zweiter Linie kann ich vielleicht Besucher unterweisen, was man pflanzen kann, wenn die Gartenbewässerung untersagt ist.“ Vor fast vierzig Jahren war das prophetisch, und sie ging auf die siebzig zu!
In den letzten Lebensjahren häufen sich Ehrungen, davon kommt dann mehr in der Rezension von Dear Friend and Gardener.