Gartenkultur und Zukunft —wie kann das zusammenpassen?

Nach den schönen alten Gärten, die wir sehen, kommt mir oft die Frage: wie geht es mit ihnen weiter? Müssen sie für die Zukunft fit gemacht werden?

In Sissinghurst ist es gelungen, den Garten und die ihn umgebenden Ländereien auf solide ökologische und ökonomische Grundlagen zu stellen. Über diesen Garten, sein Schöpferehepaar Vita Sackville-West und Harold Nicolson, aber auch über die Entwicklung nach deren Tode ist viel publiziert worden, vor allem von Nigel, ihrem Sohn.

Dessen Sohn Adam Nicolsen, der Enkel von Vita und Harold, hat über die Schwierigkeiten geschrieben, die Trägerorganisation National Trust für notwendige Veränderungen zu gewinnen. Der Trust sieht es als seine Gründungsauftrag Kulturschätze zu bewahren. Aber wie wird deren Zukunft sein?

Für Sissinghurst gelang dieser Prozess in den Nuller Jahren dieses Jahrhunderts. Adam Nicholson erschien es ahistorisch, einen über fünfzig Jahre alten Garten zu bewahren, wie er früher war, und dabei die Umgebung zu ignorieren, deren (verpachtete) Böden, inzwischen chemisch und mechanisch malträtiert werden.

Dazu fand ich folgende Quellen: seine Veröffentlichungen Sissinghurst Castle Garden, eine Broschüre, die 2018 vom National Trust herausgegeben wurde und Sissinghurst, An Unfinished History geschrieben, während dieser Kampf gefochten wurde, erschienen 2008 bei Harper Press. Adam Nicolson, geboren 1957, ist Autor und Historiker. Er schreibt sehr lebendig und scheut sich nicht, Persönliches aus der Familiengeschichte zu reflektieren. Das macht das Lesen über den Kampf um die Neuausrichtung kurzweiliger, ohne von seinen Befürchtungen abzulenken: Die Veränderungen im Garten nahm er als Niedergang wahr.

Der Garten war, zum Zeitpunkt des Schaffens der Großeltern umgeben von Ländereien, die im Laufe der drei Jahrzehnte, die Vita dort schuf (1931-1962), zugekauft und bewirtschaftet worden waren. Diese Einbindung in die kentische Landschaft, den Weald, war für Vita stimmig und wichtig, mehrere Gedichte hatte sie dazu verfasst.

Als Adam Jahrzehnte später, nach dem Tode seines Vaters Nigel, in die für die Familie bereitgehaltene Wohnung zieht, war alles anders geworden: “just a beautifully maintained garden dropped between a café and a shop, with some fields somewhere in the  background…a field…now simply the sterile medium in which highly chemicalised and industrialised crops could be produced“ (Nur ein schön erhaltener Garten zwischen einem Café und einem Shop, mit einigen Feldern im Hintergrund…ein Feld…jetzt nur ein steriles Medium, in dem chemisch und industriell stark bearbeitete Feldfrüchte produziert werden konnten).

So, wie es weltweit geschieht, B. Grill hat das in seinem Buch Bauernsterben beschrieben Rezension: Bauern Sterben – wie die globale Agrarindustrie unsere Lebensgrundlagen zerstört von Bartholomäus Grill. Die Bauern hatten Grundstücke in für Villenbauten geeignete Größen verkauft, deren Autos und, vor allem Motorräder störten die Nachtruhe. 

Adams Traum war, Landwirtschaftliche Nutzung und die touristische Attraktivität, die der Garten darstellt, als Einheit zu nutzen. Die jährlich über zwei hundert Tausend Gäste im Café könnten mit ökologisch angebauten Feldfrüchten versorgt werden. Als er sich noch nach Gleichgesinnten umsieht, kommt vom National Trust ein „Draft Occupancy Agreement“:

Danach dürfen seine Familie und ihre Gäste den Garten nur mit Erlaubnis betreten. Und nach Adams Tod müssten Frau und Kinder ausziehen! Und für alle Fotos, die sie machen, hat der Trust das Copyright!

Statt des friedfertigen und selbstzufriedenen Achtzigjährigen Nigel, der wie Adam einmal schreibt: Modernität als eine Verwirrung ansieht, war eine Familie mit zwei Töchtern (Fahrräder an Eibenhecken!!) gekommen, mit drei Hunden (Hundekot!!!) und Kaninchen, deren Junge durch‘s Maschendraht ausbüchsten.

Lime Walk
Zwiebelpflanzen am Lime Walk

Die nun folgenden Jahre, von 2005 bis 2008 waren der Gremienarbeit gewidmet, es helfen ihm seine Frau Sarah und einige Mitarbeiter des Trusts, auch die Soil Association, die Bodenproben unternimmt. Als Historiker beschreibt Nicolson ausführlich die Geschichte des Landes und auch der Böden, denn es überwiegt eine Lehmgrundlage (was für die Zwiebelpflanzen in Harolds Lime Walk schlecht ist!!).  

Er nimmt die Leser:innen mit zu Treffen in London, im Spencer House, wo Nachfahren britischer Aristokraten, viele in standesgemäßer Bekleidung, um die Bedeutung ihrer vom Trust verwalteten Erbgüter ringen.

Vor Ort wird diskutiert: Ist Sissinghurst eine Marke (a brand) oder doch eher ein Projekt? Betriebswirtschaftler rechnen aus, was der Betrieb erbringen muss, gut ist Processing, also das Weiterverarbeiten des gezogenen Gemüses.

Mehr als diese Erwägungen hat wohl geholfen, dass vor zwanzig Jahren die, wie er sagt, „globalising forces of international commodity agriculture“ kritisch gesehen worden und mehr Menschen bereit sind, für organisch Produziertes auch mehr zu zahlen. Und der Trust stimmte zu.

Bei meinem Besuch in einem April konnten wir Pflanzen (Pflanzzeit!) und Gemüse kaufen, das zur Jahreszeit passte. In Sissinghurst zum dritten Mal ,die Umgebung war mit Wanderwegen ausgeschildert und wurde viel genutzt. Diejenigen, die in den Ländereien gewandert waren, saßen dann mit den Garten Besuchern (die mehr als 20 Euro Eintritt bezahlt hatten) an den Tischen und verzehrten Produkte des eigenen Betriebes.

Obwohl ich mir vorgenommen hatte, den Shop zu ignorieren (es war der achte in wenigen Tagen!) kaufte ich die Broschüre, in der Adam für den Trust schreibt. Darin fand sich der Hinweis auf das 10 Jahre vorher erschienene Hauptwerk, Sissinghurst, An Unfinished History, es hat 341 Seiten.

Ich lese, wie er mit seiner klaren Vorstellung, einem Selbstbewusstsein als Nachfahre von Aristokraten, und auch durch die Unterstützung seiner Frau weitergemacht hat, allen Widerständen trotzend, nicht nur den von der Trustleitung, auch von Hütern des Vermächtnisses vor Ort. In Zeiten, als das Happy End nicht absehbar war, träumten sie, Aussteiger in Kreta zu werden…

Geholfen hat dann sicher auch, dass sie aus dem Anwesen ausgezogen waren. So konnte er dreizehn Jahre, nachdem der Trust die Familie rausdrängen wollte, im Namen des Trusts die Broschüre Sissinghurst Castle Garden schreiben. BWLer könnten von Win-win sprechen.

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