Erntefreuden

Als wir den Garten übernahmen, gab es zwei Schattenmorellen, sie müssen mindestens 60 Jahre alt gewesen sein und wurden kurz nacheinander Opfer von Herbststürmen. Da ich ungern im schönsten Sommer einkoche, haben wir stattdessen zwei Süßkirschen gepflanzt, je eine Pflaume und Birne. Erstmals nach acht Jahren gab es bei uns Kirschen, später kamen Pflaumen und Birnen. Zu den vielen Apfelbäumen haben wir einen Boskop gepflanzt, wegen der Apfeltorten, für die man saure Äpfel braucht. Im Sommer gibt es eine Auswahl an Beeren, wobei die Himbeeren am meisten geschätzt werden. Dass die eigenen Früchte besser schmecken, merkt man besonders beim Steinobst.

Ende Juni geht die Ernte los mit den Kirschen, die süße Knubberkirsche trug nach 12 Jahren so viel, dass man viele Menschen damit beglücken konnte. Die im Laden, meist aus der Türkei, sind in der Zeit auch lecker, aber selbst zur Haupterntezeit noch teuer. Gut trägt auch eine Süßkirsche, Dönnissen‘s Gelbe, die in gelber Farbe reif ist. Sie wird wenig von Vögeln angepickt, weil diese eher von der roten Farbe angelockt werden. Wir mögen sie allerdings auch nicht, gehalten wird der Baum aber noch als Befruchtersorte für die Knubberkirsche, wegen der im Zimmer blühenden Zweige im Vorfrühling und als Schaukelhalterbaum.

Die Pflaume ist eine Bühler Frühzwetschge. Sie trug die ersten Jahre kaum, sondern wuchs fast senkrecht nach oben. Leider auch nach unten, und in einem Umkreis von 6 Metern kamen Triebe aus der Erde. Nun wird sie im Sommer und im Herbst beschnitten, und sie macht sich. Nach acht Jahren gab es ein Schüsselchen voll mit Früchten, in den folgenden Jahren zwei oder drei.

Der Birnbaum ist vom Birnenrost befallen. Es ist ein Jammer, erst blüht der Baum schön, dann setzt er Früchte an, und irgendwann vor der Reife werden die kleinen Birnen und die Blätter vom Rost befallen und fallen herunter. Inzwischen spritzen wir, wenn auf den Blättern der erste Rost erscheint. Einmal Spritzen reicht, und wir ernten Birnen.

Von August bis November kommen die Apfelbäume, es gibt fünf, und wenn ich den Cox von der Nachbarin, der in unseren Garten ragt, mitzähle, sind es sechs. Die meisten sind Alternanzträger, sie tragen überjährig, und praktischerweise sind es jeweils zwei, die viel tragen. Als erstes reift ein Jacques Lebel, eine alte Sorte, mit großen Früchten mit einem feinen, leicht säuerlichen Geschmack. Erst vor kurzem gelang es dem Baumflüsterer, ihn zu bestimmen, seit Jahren wollte ich den Namen dieses besonders schmackhaften Apfels kennen. Vielen Dank dafür!

Der Boskop ist im September/Oktober reif und will dann schnell verspeist werden, er wird schnell mehlig und braun. In diesem Herbst kommen ein Cox-ähnlicher und ein Gelber Köstlicher (Golden delicious). Sie werden nicht so groß, wie die anderen, und sind auch weniger sauer, aber schmecken, vor allem der letztere, köstlich. Und er ist auch, wie der Name sagt, ganz gelb, keine Spur von Rot. Ich beobachte, dass sie weniger von Vögeln angepickt werden als rote Äpfel.

Der Ontario ist ein Winterapfel. Wir ernten spätestens vor dem ersten Frost. Gelagert wird im Wintergarten, der etwa 8 Grad Celsius hat, auf einer Obstpallette, die Äpfel reifen nach. Vor allem in den ersten Monaten duftet es köstlich nach ihnen, beim Öffnen der Tür auch in unserem Schlafzimmer, denn es liegt hinter dem Wintergarten. Allerdings nimmt der Vitamin C Gehalt nach einigen Monaten ab, es bleibt weniger als ein Drittel erhalten. In den ersten Wochen gibt es Apfelmus, dazu kann man die etwas braunen Äpfel nehmen, hat aber die Mühe, die braunen Stellen herauszuschneiden. Monilia-fruchtfäule heißt der Pilz, der diese Stellen bildet. Zum Glück ist das befallene Fruchtfleisch unbedenklich genießbar, anders als schimmeliges Brot, dessen Erreger ein Pilz ist, der bei Menschen Krebs erzeugen kann. Allerdings können auch Allergien gegen Monilia auftreten. Regelmäßig müssen faule Äpfel sorgfältig entfernt werden.

In Johannes Roths schönem Buch über Gartenlust im Herbst (Insel) schreibt er, dass jeder Apfel besser schmeckt, wenn er gelagert wird, mindestens zwei Wochen lang. „Der Apfel hilft uns zu begreifen, die besten sind immer die Reifen.“ Das ist nicht von Roth, aber noch so Spruch, der mir im Alter immer besser gefällt. Manche, wie etwa der Ontario, brauchen Monate zur Reife. Im Internet kann man sich die Ratschläge angucken. Roth empfiehlt Lagern im abgedunkelten Raum, das können wir nicht bieten, aber sie halten sich auch im Licht.

Einmal im Jahr machen wir mit den Enkelkindern Apfelmus mit der Flotten Lotte. Und einmal Apfelsaft mit dem Entsafter. Da der Saft schnell verbraucht werden muss, gibt es manchmal zusätzlich leckeres Apfelgelee. Von häufigeren Aktionen hält uns das Reinigen der Geräte ab: Der Entsafter hat 9 Teile, die müssen gleich nach Gebrauch vorgespült werden und dann in die Geschirrspülmaschine, die Flotte Lotte will mit allen Teilen von Hand gesäubert werden. Die gemeinschaftliche Verarbeitung macht den Enkeln immer Spaß, das Abwaschen weniger, mir geht es auch so.

Zum Glück gibt es sichere Rezepte, die in den Ontariojahren den ganzen Winter über schmecken: Da gibt es einen Apfelstreuselauflauf, Apfelstückchen werden mit Rosinen und Nelken in die Auflaufform gelegt, darauf dicke Streusel und ab in den Ofen. Die Rosinen wurden über Nacht eingelegt, für die Kinderseite in Apfelsaft, für die Erwachsenenseite in Rum.

Noch einfacher ist es, Apfelscheiben zu dörren: Die Kerngehäuse werden ausgestochen, sie werden in möglichst dünne Scheiben geschnitten, gerne mit Schale, und dann bei 80 Grad Celsius getrocknet. Mein Kochbuch spricht von acht Stunden, wir machen es über vier und trocknen dann noch etwas in der Zimmerluft. Bei Johannes Roth in Herbstlust im Garten las ich auch seine Empfehlung für meinen Ontario: Tarte Tatin de pommes. Da sie schnell gemacht ist, und natürlich auch mit anderen Äpfeln geht, schreibe ich sie auf: 50 g Butter mit 50 g Zucker karamellisieren, in eine 24 cm Springform geben, Apfelschnitte auf dem Karamell verteilen. Einen Teig aus 200 g Mehl, 100 g Butter und 50 g Zucker mit einem Ei verrühren und ausgerollt auf der Karamellapfelmasse verteilen. Bei 200 Grad für 25 min backen. Das französische Originalrezept geht ohne Ei, dann wird der Boden wie ein harter Keks, aber bröckelt beim Schneiden. Mit Ei wird er geschmeidiger. Wenn wir keine Äpfel haben, geht es auch mit Aprikosen oder Ananas.

Dann haben wir noch viel Wein, einen weißen Gutedel und zwei blaue, eine Rebe ist die Boskoops Glorie. Sie haben kleine Kerne, aber schmecken köstlich, vor allem die Blauen. Die weißen sind nur lecker, wenn sie im September und Oktober viel Sonne hatten. Sie einzumachen ist mühselig, da im Entsafter die Kerne mitgepresst würden und den Saft bitter machten. Also wird mit der Flotten Lotte entsaftet. Ich mache es höchstens einmal im Jahr mit den Enkelkindern, der Saft muss dann schnell getrunken werden und ist schön süß. Was übrig bleibt wird zu Traubengelee eingekocht, das ist noch leckerer als Apfelgelee. Einmal machten wir selbst Wein von mäßiger Qualität.

Letztes Jahr habe ich insgesamt acht Tüten Trauben an Nachbarn verschenkt, die sich offensichtlich freuten. Sie sind alle aus meiner Generation. Manchmal wird die gute Ernte allerdings zur Last, alles soll verzehrt oder verarbeitet werden, und mit der Zeit schmeckt es immer weniger, vor allem verglichen mit frisch gekauftem Obst.

Die Enkelkinder sehen nicht ein, warum sie die eigenen Früchte aufessen sollen, bevor sie vergammeln, wenn es doch schönere gibt. Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, dass ich sie, so wie früher meine Mutter mich, zum Verzehren des Obstes „das doch weg muss“ nötigen wollte. Und mich erinnert, wie enttäuscht ich von meiner Oma war, wenn sie meiner Mutter immer Recht gab. Inzwischen weiß ich, dass wenigstens für mich stimmen soll: Großeltern müssen die Enkel nicht erziehen. Wie werden die Enkelkinder es wohl halten, wenn sie älter sein werden? Werden sie dann wie wir und essen alle Ernteüberschüsse auf, brav oder sogar mit Stolz?

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