Gärtnern mit Axt und Schere

In den ersten Jahren ging es mir darum, alles schön zu bepflanzen. Überall sollte es üppig sein! Die schon zitierte Eva Demski schreibt über einen Garten, der wie eine Frau ist, die ihre Kleider immer etwas zu klein kauft. Auch meine Blumen sollten kraftvoll hervorquellen. Ich glaube, mein Traum von einem Garten reifte, als ich in den Tropen lebte. Nach einem Regenguss ist eine trockene und braune Steppe in nur einem Tag grün und beginnt im Überschwang zu sprießen. So sollte es hier auch sein! Zum Glück ist der Boden fruchtbar, Humus auf einer Lehmschicht, so dass fast alles gut kommt. Ich pflanzte anfänglich querbeet, überall musste etwas hin.

In den ersten Jahren ging viel ein, fast alle Rosen, von den anderen hielten eigentlich nur Astern, Phloxe und eine Rudbeckien Art durch. Aber nach und nach gedieh dann mehr und es wurde klar, dass viel zu dicht gepflanzt war. Da stand zwar auf den Etiketten die zu erwartende Größe, vor allem bei den Rosen. Aber wenn man nur nach Farbe und vielleicht Duft kauft, passiert es eben, dass man nicht an die zu erwartende Größe denkt. Und so eine Strauchrose nimmt sich ihren Raum.

Irgendwann, nach 10 Jahren etwa, war der Garten richtig schattig geworden, die Obstbäume der Nachbarn trugen dazu bei. Vor allem der von uns sonnenabseitig gelegene Nachbargarten bekam kaum noch Sonne, und dieser Nachbar fing an zu schneiden und zu fällen. Und bat uns auch darum. Wir machten es ihm nach, zuerst etwas widerwillig, bis wir sahen, dass unserem Garten mehr Licht gut tat. Ich nannte diese für uns neue Periode „Gärtnern mit der Schere.“

Dem Schneiden folgte ein konsequentes Roden, es wurden mit Stumpf und Stiel entfernt: drei dicke Berberitzen, die stachlig sind, deren Blüten schlecht riechen und die eine sehr dicke Hecke bildeten, ein vier Meter breiter Feuerdorn (Pyracanthus). Noch Jahre später piekte man sich beim Laubaufsammeln an übriggebliebenen Dornen. Im Vorgarten gut vier Quadratmeter Cotoneaster, mindestens ebenso viel Haselnusssträucher, die nie Früchte trugen, aber dichte Hecken bildeten, die leicht bis zu 5 Meter hoch wurden. Eine von zwei schwarzen Johannisbeeren, deren Beeren nach dem Tod meines Vaters keine Liebhaber mehr fanden, so dass eine reicht. Der riesige Strauch mit roten Johannisbeeren hatte leider (gottseidank) einen Pilz, so dass nun an der Stelle eine neue Beerenvielfalt Einzug gehalten hat.

Ein ganzer großer Ontarioapfelbaum wurde gefällt, um etwas Sonne auf den Buddelkasten scheinen zu lassen. In ihm wuchs ein baumhoher Holunder, er wurde mitgeköpft. Ein alter und vom Rost zerfressener Birnbaum brach zusammen unter dem Gewicht von Efeu und einer Clematis, die zum Glück wieder kam. Getrauert haben wir allerdings um einen weißen Hibiskus, der eine Kugel von gut zwei Metern Durchmesser hatte. Wir vermissten ihn anfangs sehr und sahen erst später, dass seine weiße Wolke die Sicht auf Schöneres genommen hatte. Ist er am Alter gestorben? Oder weil wir ihn wegen seiner Größe zu sehr beschnitten hatten?

Ein Freund von uns hatte als junger Hobbygärtner einen Kurs in der Volkshochschule zum Baumschnitt belegt. Die erste Regel lautete: Schneide den Baum so, als wäre es nicht Dein eigener! Man tut sich schon ein bisschen schwer, große, schön belaubte Zweige abzuschneiden. Aber es lohnt sich. Männer machen es nach meiner Erfahrung mit mehr Mut.

Regelmäßig gibt es den Sommerschnitt. Die im Frühling blühenden Sträucher werden nach der Blüte geschnitten, die Sommerblüher im Herbst, also auch nach der Blüte, und die Schmetterlingsflieder erst im nächsten Frühjahr, bevor sie austreiben. Diese werden auf etwa einem Meter eingekürzt und wachsen dann in die Höhe. Ausnahme ist, wie schon erwähnt, die Buddleja alternifolia, sie blüht am zweijährigen Holz. Deshalb muss bei ihr alles gelassen werden, was im nächsten Jahr blühen soll.

Die Obstbäume bei zwei unserer Nachbarn waren immer besonders gut beschnitten. Dort schneidet ein Profi die Obstbäume. Er beherrscht nicht nur die Technik, er hat auch ein Gespür für Bäume. Meine Nachbarin spricht von ihm als Baumflüsterer. Inzwischen lichtet er auch bei uns die Obstbäume, das hätten wir schon vorher machen sollen. Insbesondere zu den Eigenheiten unserer Bühler Pflaume meinte er, frühere Schnitte hätten ihre Unarten verhindern können. Sie entwickelt steile Triebe, nicht nur mit den Ästen, sondern auch durch Wurzelschosse rund um den Baum. Dabei fallen dann Worte wie Erziehungsschnitt, was ich erst einmal befremdend fand. Aber das Ergebnis überzeugt. Nun versuchen wir in diesem Sinne und mit seiner Hilfe weiterzumachen.

Beim Herbst- und Winterschnitt werden Beerensträucher und Obstbäume verkleinert. Vor allem unsere Äpfel haben Wasserschosse, kurze Äste, die direkt senkrecht nach oben wachsen und reichlich Schatten spenden. Es gibt immer etwas zu schneiden. Der Baumflüsterer meint, man sollte nicht nur die senkrechten Sprosse abschneiden, sondern weiter in den Stamm gehen. Die Kirschen werden erst im nächsten Vorfrühling verkleinert, nicht weil dies gärtnerisch richtig ist, sondern weil wir so gern die Zweige ins Zimmer holen, um uns dann im Februar und März an den Blüten zu erfreuen.

Rhododendren und Azaleen schneide ich nicht, da werden nur abgestorbene Teile entfernt. Wenn es ihnen gut geht, und dafür sorgen wir ja, werden sie sehr groß. Vita Sackville-West war in ihrem großen Anwesen vorsichtiger: Sie schrieb: „Rhododendren sind für uns wie korpulente Börsenmakler, die wir nicht zum Essen bei uns haben wollen.“ (Kluge Frauen und ihre Gärten)

Die Stauden werden regelmäßig nach drei bis fünf Jahren geteilt. Bei uns vermehren sich Astern, Phloxe, Chrysanthemen, Gräser und die Elfenblume so gut, dass Teilungen anstehen. Im späten Frühling werden einige Stauden, eine sehr hohe Chrysantheme und die Fetthenne, noch einmal bis auf den Boden gekürzt und die Phloxe etwa um die Hälfte. Auf diese Weise werden sie stabiler und können später die schweren Blüten tragen. Sonst kippen sie leicht um. Trotzdem muss man meist mit Stützvorrichtungen nachhelfen. Die Buddleja vor der Terrasse wird im Juni noch einmal fast so eingekürzt, wie im März, damit sie nicht zu hoch wird und die Sicht in den Garten nimmt. Zum Glück fällt dieser Kahlschnitt kaum auf, denn zu dieser Zeit lenken die Rosen die ganze Aufmerksamkeit auf sich.

Besondere Aufmerksamkeit verlangt das Weidenkätzchen, nachdem wir die hängenden Zweige jahrelang nach der Blüte abgeschnitten hatten, war ein Gewirr von Ästen auf einem halben Meter Höhe entstanden, es erinnerte an die Dornenkrone Jesu und ich begann mich zu fragen, wie lange die Proportionen noch wie geplant bleiben würden. Als ich dann in einem Kleingarten in der Nachbarschaft eine so entstandene Kätzchensäule mit vielen Etagen bis über einen Meter oberhalb des Stammes sah, schnitt ich mutiger ab. Die neuen Triebe sind danach so schnell gekommen wie immer, und ich hatte durch mein mutiges Schneiden gut zwei Quadratmeter neuen Raum in meinem kleinen Garten geschaffen.

Zum Schneiden der Rosen, Hortensien und Clematis schreibe ich in den zugehörigen Kapiteln. Aber hier schon einmal ein Spruch vom Rosenzüchter Kordes zum Frühlingsschnitt, wenn die Forsythien blühen und die Rosen schon ausgetrieben haben: “Kaltes Herz und heiße Schere!“

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